Zwischen Goldie-Schauen und Selfie-Machen konnte man viel erkunden. Warum es die Organisatorin trotzdem nicht leicht hatte – und Lagerfelds Repräsentantin beinahe draußen blieb.
Kaiser Karl war also nicht gekommen – und auch seine Repräsentantin musste beinah draußen bleiben. Sophie de Langlade, die seit mehr als 30 Jahren für den Designer arbeitet, wurde bei der Opernball-Einlasskontrolle, die nicht nach Stil, sondern nur nach rein formalen Kriterien urteilt, aufgehalten: Ihr Kleid sei nicht bodenlang. Da half auch der Hinweis, dass das Stück von Chanel stamme, nicht. Erst die Erklärung, sie gehöre zu Karl Lagerfeld, zog.
Sie sei zwar natürlich im Vorfeld auf den Dresscode aufmerksam gemacht worden, schilderte de Langlade später amüsiert in der Crystalbar, wo Künstler und Ehrengäste nach der Eröffnung zu einem Umtrunk geladen sind. Aber sie habe nicht gedacht, dass das so ernst gemeint sei. Vom Ball selbst habe sie eine (in Paris offenbar nicht ganz unübliche) Vorstellung gehabt: provinziell. In der Realität sei er dann doch „elegant“. „Es ist schön, wie hier Tradition gelebt wird.“ Lagerfeld selbst weilte da noch in Mailand bei Fendi („Da gibt es nach der Modenschau üblicherweise ein Abendessen“), wurde von de Langlade und seiner Marketingchefin, Mirjam Schuele, mit Bildern und Videos auf dem Laufenden gehalten. Die beiden Damen wurden wiederum von Swarovski betreut – wie auch der indische Modedesigner Manish Arora oder Kim Young-Seong, Lagerfelds Stoffexpertin bei Chanel. Modekritikerin Suzy Menkes nannte sie sein „Material Girl“. (Für die Oscars am morgigen Sonntag liefern die Tiroler Kristallproduzenten übrigens eine funkelnde neue Bühne.)
Insgesamt wurde der in Ginsterduft gehüllte Abend freilich vom Tod der Gesundheitsministerin, Sabine Oberhauser, überschattet. Präsident und Regierung nahmen nicht den üblichen Weg in die Mittelloge und hatten für einen solchen Trauerfall wohl auch kein Prozedere, Kanzler Christian Kern sprach zu den Fernsehzuschauern dasselbe wie gleich darauf zu den Ballgästen – was ja auch übertragen wurde. Die (kurze) Trauerminute empfand man als stimmig, dass die sichtlich betroffene Politikerriege rund um den erstmals als Präsident auf dem Ball agierenden Alexander Van der Bellen gleich nach der Eröffnung des Staatsballs wieder abtrat, auch.
Dabei hätte es viel zu tun gegeben. Wer die 290 Euro Kartenpreis ausreizen und neben Goldie-Hawn-Schauen, Quadrille-Tanzen und Selfie-vor-den-Blumen-Machen auch all die Bars und Stationen besuchen wollte, die die neue Organisatorin, Maria Großbauer, neu gestalten ließ, war Stunden beschäftigt. Zumal beim Opernball ja praktisch das ganze Haus offen steht und man sich leicht in den Gängen und Stiegenhäusern verliert. Da sucht man schon einmal nach der Disco oder steht statt auf der Carlos-Kleiber-Probebühne (wo die Künstler feiern) in einem leeren Ballettsaal. Auch wer hinunter in die „Wolfsschlucht“ will, muss sein Ziel recht klar vor Augen haben. Die Umgestaltung des Heurigen schien gelungen; kein schlechter Schachzug, auch hier auf die Kompetenz der Oper (im konkreten Fall: eine Art Bühnenbild) zu setzen.
In Summe hatte sich Maria Großbauer viel vorgenommen – und keine leichte Startposition. Der Schatten ihrer Vorgängerin, Desirée Treichl-Stürgkh, ist groß, dazu soll es sich die 36-Jährige dem Vernehmen nach im eigenen Haus nicht gerade einfach beziehungsweise sich nicht nur Freunde gemacht haben. Doch abgesehen von solch internen Querelen: Einen traurigen Auftakt auf der Feststiege hätte man ihr jedenfalls nicht gewünscht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2017)