Krise – Augen zu und durch

(c) AP (Altaf Qadri)
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Österreichs Unternehmen sind großteils beratungsresistent und realitätsfremd, was die Bewältigung der Krise anlangt. Das zeigt eine Studie bei 300 Firmen.

Graz. Während die Politik sanfte Aufhellungen am Konjunkturhorizont erkennen will, bleiben die österreichischen Unternehmen in Sachen Krisenbewältigung skeptisch. Man rechnet sogar mit einem schmerzhaften Rückfall, wenn die staatlichen Stimulierungsmaßnahmen auslaufen. Dennoch wird in der mittelständischen Wirtschaft auf das Erstellen von betrieblichen Krisenmanagementplänen weiterhin großflächig verzichtet, geht aus einer brisanten Studie des Grazer Instituts für Krisenmanagement und Krisenkommunikation, „Krisenkompass“, hervor.

Befragt wurden österreichweit und branchenübergreifend 300 Unternehmer und Führungskräfte von Firmen mit mehr als 50 Mitarbeitern. In den Antworten spiegelt sich ein wenig optimistisches Gesamtbild wider.

Schon die Bewertung des Status quo ist wenig erfreulich. „Zumindest zwei Drittel der Unternehmen sind von den Auswirkungen der Krise betroffen“, sagt „Krisenkompass“-Institutsleiter Martin Zechner im Gespräch mit der „Presse“. Besonders betroffen sind Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern, bei denen fast 80 Prozent die Krise spüren; bei klassischen Mittelstandsbetrieben (unter 250 Mitarbeiter) sind es „nur“ 59 Prozent. Vier von zehn Führungskräften geben vor diesem Hintergrund an, unter dem erhöhten Druck zu leiden.

 

Zuerst Personalabbau

Reagiert wurde auf den betriebswirtschaftlichen Druck hauptsächlich mit konventionellen Restrukturierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen. Bei jedem dritten Unternehmen kam es zu einem Mitarbeiterabbau, bei knapp zwanzig Prozent zu Lohn- und Gehaltsreduktionen. Parallel wurden aber nur bei weniger als 15 Prozent zusätzliches Eigenkapital zugeschossen, noch seltener persönliche Haftungen übernommen oder externe Berater engagiert. „Gerade bei Klein- und Mittelbetrieben zeigt sich eine Beratungsresistenz und teilweise ein ,Nichtwahrhabenwollen‘ der gefährlichen Situation“, bestätigt Jochen Pildner-Steinburg, Präsident der steirischen Industriellenvereinigung. „Man darf nicht warten, bis die Krise einen auch selbst erreicht, sondern muss vorausplanen“, rät Pildner-Steinburg.

Studienautor Zechner warnt diesbezüglich vor der eingeschränkten und ausschließlichen Sicht auf klassische betriebswirtschaftliche Kennzahlen. Zwar gelten diese mit 76 Prozent noch immer als beliebtestes Krisenwerkzeug. Allerdings würde in derartigen Statistiken vor allem die Vergangenheit abgebildet und daher Entwicklungen erst zu spät erkannt. Außerdem werde dadurch der Blick in die Zukunft überhaupt verstellt, kritisiert er.

Eines der alarmierenden Ergebnisse der Studie: Nur 17 Prozent der befragten Unternehmen haben Frühwarnsysteme eingeführt. „Das Bewusstsein für eine gezielte, umfassende Krisenfrüherkennung ist vor allem bei Betrieben mit weniger als 250 Mitarbeitern nicht sonderlich ausgeprägt“, warnt Zechner. So spielen Instrumente wie Krisenhandbücher (14 Prozent) oder betriebsexternes Krisen-Screening (neun Prozent) noch immer eine deutlich untergeordnete Rolle. Auch die Krisenkommunikation wird von nur 40 Prozent als Krisenwerkzeug eingesetzt.

 

Noch ist es nicht vorbei

Und das, obwohl die Aussichten trübe bleiben. Jedes dritte Unternehmen sieht die Krise „noch gar nicht überstanden“, weitere 40 Prozent „noch nicht ganz überstanden“. In der Detailauswertung zeigt sich, dass vor allem die Industrie und Unternehmer mit mehr als 250 Mitarbeitern mit weiteren Einbrüchen rechnen. Als in naher Zukunft gefährdet gelten laut der Studie die Bereiche Tourismus sowie Information/Consulting.

Sehr differenziert fällt die Beurteilung der Manager für die staatlichen und politischen Maßnahmen zur Eindämmung der Wirtschafts- und Finanzkrise aus. Während das Lob aus dem Bankensektor aufgrund der großzügigen Hilfsmaßnahmen wenig überraschend kommt, fühlen sich die Bereiche Transport/Verkehr beziehungsweise Gewerbe/Handwerk von der Politik im Stich gelassen. Insgesamt hält aber zumindest ein Drittel der Unternehmen die Maßnahmen für gut.

Für Studienautor Zechner ist das schon „erstaunlich“. IV-Präsident Pildner-Steinburg relativiert: „Ja, die Bundespolitik hat richtig gehandelt, die Frage ist aber, ob sie auch rechtzeitig gehandelt hat.“ Seine Antwort fällt dazu eindeutig negativ aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2009)


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