Paris: Justiz mischt Wahlkampf auf

(c) REUTERS (GONZALO FUENTES)
  • Drucken

Knapp zwei Monate vor der Präsidentenwahl werden die Ermittlungen gegen zwei Favoriten, Le Pen und Fillon, ausgeweitet: Le Pen stilisiert sich erfolgreich als Opfer, Fillon gerät unter Zugzwang.

Paris. Die Justiz gibt im französischen Präsidentschaftswahlkampf zunehmend den Takt vor: Ermittlungen wegen Korruption setzen sowohl Marine Le Pen, Kandidatin des rechtspopulistischen Front National (FN), als auch den konservativen Präsidentenanwärter, François Fillon, unter Druck. Le Pen führt derzeit in Umfragen, der einst als Favorit gehandelte Fillon ist auf Platz drei abgerutscht. Und die Justiz will ihre Untersuchungen auch in der heißen Wahlkampfphase fortführen, hieß es gestern in Paris – trotz der Proteste der beiden Kandidaten.

Gegen den FN laufen derzeit gleich mehrere Ermittlungen wegen illegaler Wahlfinanzierung bei früheren Kampagnen. Am Wochenende wurde bekannt, dass gegen Le Pens langjährigen Mitarbeiter Fréderic Chatillon ermittelt wird: Sein Kommunikationsunternehmen soll der Partei indirekt einen Kredit gewährt haben. Marine Le Pen selbst wird beschuldigt, mit Geld des EU-Parlaments ihre engste Mitarbeiterin in der Parteizentrale sowie ihren Leibwächter als angebliche parlamentarische Assistenten bezahlt zu haben. Trotz Protesten und Rekursen der FN-Anwälte werden jetzt die monatlichen Gehälter der EU-Abgeordneten gepfändet. Damit sollen 340.000 Euro der zu Unrecht bezogenen Gelder für diese mutmaßlichen Pseudoassistenten zurückgefordert werden.

„Opfer politisch motivierter Richter“

Gegen Fillon und seine Familienangehörigen gehen inzwischen drei Untersuchungsrichter dem Verdacht auf Unterschlagung öffentlicher Gelder, Veruntreuung von Firmengeldern, Machtmissbrauch und Unterlassungen bei der Offenlegung des Vermögens von Volksvertreten nach. Konkret geht es um die Scheinbeschäftigung von Fillons Ehefrau als „Assistentin“ ihres Mannes.

Sowohl Le Pen als auch Fillon sehen sich als Opfer eines „Komplotts politischer Gegner“. Sie fordern eine „Schonzeit“ bis zum Ende der Wahlperiode. Der (sozialistische) Justizminister Jean-Jacques Urvoas erteilte ihnen gestern eine Abfuhr: So etwas sei im französischen Recht nicht vorgesehen.

Unklar ist derzeit, wie stark sich die Justizprobleme auf die Wahlchancen der Kandidaten auswirken werden. Le Pens Wähler scheinen die Vorwürfe bisher wenig zu beeindrucken: Die FN-Chefin führt weiterhin mit 26,5 Prozent in den Umfragen. Wahltaktisch erfolgreich attackiert sie die „politisch motivierten Richter“. Marine Le Pen verweigerte sogar eine Befragung durch die Polizei. Worauf Premier Bernard Cazeneuve polterte: Sie stehe „nicht über der Justiz“.

Macron profitiert von Skandalen

Im Lager der bürgerlichen Rechten haben die Anschuldigungen gegen Fillon dagegen viel Schaden angerichtet. Er war ursprünglich der klare Favorit dieser Wahlen gewesen. Jetzt kämpft er schon fast verzweifelt um einen Platz im Finale – in Umfragen liegt er mit 20 Prozent hinter dem Sozialliberalen Emmanuel Macron (23,5Prozent). Die Zweifel an Fillons Integrität sorgen im konservativen Lager für Verunsicherung.

Von den Fillon-Skandalen profitiert Ex-Wirtschaftsminister Macron. Er kann allerdings nur hoffen, dass sich die Justiz nicht auch noch für ihn interessiert. Denn punkten kann er in diesem Wahlkampf vor allem mit finanzieller Transparenz und einer (möglichst) sauberen Weste – noch mehr vermutlich als mit seinem Programm.

AUF EINEN BLICK

Die Franzosen wählen in knapp zwei Monaten einen neuen Präsidenten. Der erste Wahlgang findet am 23. April statt, die Stichwahl wird am 7. Mai abgehalten. Als Favoriten für die Stichwahl gelten derzeit laut Umfragen die rechtspopulistische Marine Le Pen (26,5 Prozent) und der sozialliberale Emmanuel Macron (23,5 Prozent).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Sturz eines Polit-Stars: Journalisten hängen ein Foto Fillons auf, es war vor der Pressekonferenz auf den Boden gefallen.
Außenpolitik

Fillon sieht sich als Opfer

Gegen den konservativen Präsidentschaftskandidaten wird nun offiziell ermittelt. Trotzdem hält er an seiner Kandidatur fest.
Francois Fillon, member of the Republicans political party and 2017 presidential election candidate of the French centre-right, arrives to make a declaration to the media at his campaign headquarters in Pari
Außenpolitik

Fillon muss vor den Richter

Der französische Präsidentschaftskandidat der Konservativen wird von Ermittlungsrichter vorgeladen. Ein Rückzug von der Kandidatur kommt für Fillon weiterhin nicht in Frage.
Macron
Außenpolitik

Macron baut Umfragen-Vorsprung aus

Der unabhängige Kandidat ist derzeit hoher Favorit auf die französische Präsidentschaft.
Die Busse nach dem Angriff bei Nantes
Außenpolitik

Busse mit Front-National-Anhängern in Frankreich angegriffen

Ein Bus wurde bei Nantes mit Farbe beschmiert, zwei weitere sollen von Vermummten mit Eisenstangen attackiert worden sein.
Emmanuel Macron
Außenpolitik

Warum Macron die besten Chancen hat, Le Pen zu stoppen

Der linksliberale französische Präsidentschaftskandidat, Emmanuel Macron, stellt die Experten der französischen Politik vor ein Rätsel.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.