Mindestlohn und Arbeitszeit: Die Chance auf ein gutes Quid pro quo

Porsche Produktion
Porsche ProduktionAPA/dpa-Zentralbild/Jan Woitas
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Nur keine flexiblen Arbeitszeiten, mahnt die Gewerkschaft. Nur kein Mindestlohn, mahnen die Arbeitgeber. Dabei gibt es für beides gute Argumente.

Schauen wir zu Beginn nach Zuffenhausen. Der Ort liegt in Deutschland und ist Stammsitz der Porsche AG. Die Mitarbeiter dort scheinen enorm motiviert zu sein: 2009 fertigten sie pro Tag 142 Autos, im Jahr 2013 waren es mehr als 200. Und deshalb tat der Vorstand etwas, was ein Unternehmen kaum macht: es senkte die Arbeitszeit der 3500 Mitarbeiter in der Produktion auf 34 Stunden – bei vollem Lohnausgleich! Durch die Produktivitätssteigerung habe der Stress der Mitarbeiter zugenommen, nun wolle man ihnen mehr Freizeit lassen.

Noch einmal Porsche. Vergangenes Jahr tat der Betriebsrat etwas, was ein Betriebsrat kaum macht: er verzichtete auf Geld. Um das neue Porsche-Elektroauto in Zuffenhausen bauen zu können, werden die Beschäftigten auf einen Teil der künftigen Gehaltserhöhungen verzichten (0,25 Prozent bis zum Jahr 2025) und freiwillig eine Stunde pro Woche mehr arbeiten. Das sei, meinte ein Betriebsratsmitglied, ein guter Ausgleich zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Gerechtigkeit.

Die Beispiele zeigen Mehreres. Erstens, dass es zielführender ist, Vereinbarungen über die Arbeitszeit auf Betriebsebene zu treffen, weil hier alle Betroffenen die Gegebenheiten am besten kennen. Zweitens: Wenn es einem Unternehmen gut geht (Porsche machte 2013 Rekordgewinne), soll es auch den Angestellten gut gehen. Drittens: Wenn es dem Unternehmen schlecht geht, dann müssen alle rudern, weil alle im selben Boot sitzen.

Der Glaube, dass man in Österreich alles von oben herab verordnen muss und sich alle bis zum kleinsten Tischlereibetrieb daran zu halten haben, ist falsch und überholt. In den Unternehmen weiß man am besten, was notwendig ist und wie man auf Situationen am besten reagiert.

Nur kann man teilweise nicht darauf reagieren, weil es der Gesetzgeber – oder besser: die ihm vorgelagerten Sozialpartner nicht erlauben wollen. Flexible Arbeitszeiten, zu denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bis Ende Juni eine Lösung finden sollen, sind ein Gebot der Stunde – nicht nur in der Industrie, sondern auch im Handel und im Dienstleistungsbereich. Arbeit muss dann geleistet werden, wenn sie anfällt. Und nicht dann, wenn der Gesetzgeber oder die Sozialpartner sie vorschreiben. Dass ein Handwerker irgendwo in einem Gasthaus übernachten muss, weil er sonst auf der Rückfahrt von einem Job die Höchstarbeitszeit überschreiten würde, ist lächerlich.

Es geht nicht nur um Auftragsspitzen in der Industrie, bei denen jetzt schon Zwölfstundenarbeitstage möglich sind. Es geht um eine Entrümpelung der überbordenden Vorschriften und um eine generelle Flexibilisierung, nicht nur im Interesse der Unternehmen, sondern auch der Arbeitnehmer, die vielleicht ein längeres Wochenende einarbeiten wollen. Möglich machen das beispielsweise längerfristige Arbeitszeitkonten, wie es sie schon in Deutschland gibt.


Quid pro quo, lautet üblicherweise das Prinzip bei Verhandlungen der Sozialpartner. Das Quo für die Flexibilisierung der Arbeitszeit ist für die Gewerkschaft ein Mindestlohn von 1500 Euro brutto. Und der ist nicht grundsätzlich zu verteufeln (solange er nicht gesetzlich verordnet, sondern in den Kollektivverträgen geregelt ist). Denn auch unsere Wirtschaft wird immer mehr vom Konsum getrieben. Wenn die Menschen mehr Geld zum Ausgeben haben, kommt das am Ende wieder den Unternehmen zugute.

Außerdem braucht es Anreize, überhaupt noch arbeiten zu gehen: Wenn jemand mit einer 40-Stunden-Arbeitswoche nur wenig mehr verdient, als ein Mindestsicherungsbezieher erhält (838 Euro), dann fehlt diese Motivation. Man kann also entweder die Mindestsicherung kürzen oder die Arbeit besser bezahlen. Bis in die letzte Branche wird man 1500 Euro freilich kaum realisieren können. Die Hilfsjobs, die weniger bezahlen, fallen vielleicht nicht weg – aber man drängt die Mitarbeiter und die Unternehmen in die Schwarzarbeit. Und das kann nicht im Interesse der Gewerkschaft sein.

Flexible Arbeitszeit auf der einen, Mindestlohn auf der anderen Seite: das könnte zu einem durchaus sinnvollen Quid pro quo führen.

E-Mails an:norbert.rief@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2017)

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