COS: Erholung für das Auge

Langer Atem. Seit der Gründung arbeitet Karin Gustafsson bei COS.
Langer Atem. Seit der Gründung arbeitet Karin Gustafsson bei COS.(c) Beigestellt
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Zehn Jahre Leisertreten: Ein Gespräch mit COS-Chefdesignerin Karin Gustafsson anlässlich des runden Geburtstags der Marke.

Als die New Yorker Trendagentur K-Hole 2013 das Phänomen des (seitdem geradezu legendär gewordenen) Normcore beschrieb, stellte sie diese Wortneuschöpfung interessanterweise unter das Zeichen der Freiheit: Jene nämlich, sich nicht um jeden Preis von anderen abheben zu müssen, und im Grunde auch die Freiheit, sich einzugestehen, dass der Wunsch, sich durch Konsumhandlungen individualistisch zu verwirklichen, in den Zehnerjahren des 21. Jahrhunderts obsolet ist.
Kern der trendforscherischen These, dass sich eine neue Normalo-Lebenseinstellung formiert habe, war die Aussage: „Normcore findet Befreiung darin, nichts Besonderes mehr sein zu müssen.“ Das klingt zwar ein bisschen hart (allein die Wortkombi „nichts Besonderes“ hat ja den Anruch eines Antikompliments), andererseits lässt sich die Attitüde ganz gut mit dem Erfolg einer Modemarke illustrieren, die heuer ihren zehnten Geburtstag begeht – und somit die Normcore-Sensibilität mit deutlichem Respektabstand vorweggenommen hat.

Rund. Zehn Looks für Damen, Herren, Kinder zur  Feier des Jubiläums.
Rund. Zehn Looks für Damen, Herren, Kinder zur Feier des Jubiläums.(c) Beigestellt

Im Herzen Londons. 2007 als Tochter von H&M mit eigenständiger Identität, größerem Qualitätsanspruch und quasi als Inbegriff zeitloser Eleganz gegründet, startete COS (kurz für „Collection of Style“) mit einem Designstudio in London. Das mag ein wenig verwundern, schließlich ist gerade der Modestil Londons besonders exzentrisch und ausgefallen. Doch die Stadt ist zugleich ein internationaler Kreativhotspot, in dem vielerlei Stilrichtungen aufeinandertreffen. Das COS-Hauptquartier befindet sich in Soho, ein paar Schritte entfernt vom Oxford Circus. Auch das traditionsreiche Nobelkaufhaus Liberty ist ums Eck: Die bunten, reich gemusterten Liberty-Stoffe besetzen freilich das andere Ende des Modespektrums. Bei COS kommt das Auge zum Ruhen, nach groben Muster-Keypieces sucht man in den Kollektionen zumeist vergebens.

Als Kreativdirektorin aller COS-Kollektionen fungiert seit 2016 die Schwedin Karin Gustafsson. Sie absolvierte ihre Ausbildung zur Modedesignerin weitestgehend in Großbritannien und wurde nach Abschluss ihres Studiums am Royal College of Art in das Designteam geholt. Das war 2006, im Jahr darauf wurde das Label in den ersten europäischen Märkten – darunter neben dem UK auch Dänemark, Belgien, die Niederlande und Deutschland – lanciert.

Klarheit. Die 10-Jahres-Kollektion beruht auf Ressourcen schonenden Schnitten.
Klarheit. Die 10-Jahres-Kollektion beruht auf Ressourcen schonenden Schnitten.(c) Beigestellt

Kein Schnickschnack. So bekannt der Markenname COS auch ist, so sperrig – und ein wenig diffus – ist der Ausgangsbegriff einer „Collection of Style“. Allzu viele Gedanken verschwendet Karin Gustafsson an dieses Stil-Postulat ohnehin nicht: „Wir denken heute nicht mehr großartig darüber nach, was vor zehn Jahren mit ,Collection of Style‘ gemeint war. Unsere Kernaussage sind Qualität und Design, das lange gültig bleibt“, sagt Gustafsson im völlig COS-gemäßen Hauptquartier der Firma (helles Holz da, antioxidantienreiche Beeren dort, Kakteen und Sukkulenten im Hintergrund).

Frau Gustafsson ist freundlich aber ernst, und sie weiß mit Sicherheit sehr genau, wofür die Mode, die sie entwirft, stehen soll. Kein Schnickschnack und vieles über Saisonen hinaus Gültige – das ist ohnehin Programm. Zusätzlich versucht man aber, die Kunden durch strategisch wichtige Kooperationen am Nerv ihrer Interessen zu treffen. In London tritt COS etwa seit Jahren als Partner der Serpentine Gallery mit ihren sommerlichen Pavillons auf. Und auch auf dem Salone del Mobile in Mailand, der Designveranstaltung mit dem größten Publikum überhaupt, ist man regelmäßig mit interessanten Kooperationen präsent. „Unsere Identität definiert sich über das Profil unserer Kunden“, sagt Karin Gustafsson. „Sie sind kulturinteressiert und geschmacksicher und schätzen, dass wir ihnen ein Produkt mit einer sehr spezifischen, zeitlosen Ästhetik anbieten.“

Design-Olymp. Zum Salone del Mobile kooperiert COS im Jubeljahr mit Studio Swine.
Design-Olymp. Zum Salone del Mobile kooperiert COS im Jubeljahr mit Studio Swine.(c) Beigestellt

Die Proportionen ändern sich. Dass es sich bei COS um eine „erwachsenere Variante von H&M“ handeln soll, kann Gustafsson nicht unbedingt nachempfinden. Das Auftauchen des Normcore-Konzepts wenige Jahre nach dem Start der Marke empfindet sie aber als Bestätigung ihres „Eindrucks, dass wir etwas gefunden hatten, das den Nerv der Zeit traf und den Erwartungen vieler Menschen entsprach“.

Um das zehnjährigen Bestehen der Marke zu feiern, die international weiter auf Expansionskurs ist, hat Gustafsson mit ihrem Design-team eine Kollektion, bestehend aus zehn Teilen, entworfen. Sie sind ebenso zeitlos wie viele Entwürfe der vorherigen Kollektionen. „Was sich im Lauf der Jahre verändert hat, sind am ehesten die Proportionen unserer Kollektionen. Wir haben immer noch das Hemd, die gut geschnittene Hose, das kleine Schwarze im Angebot, aber die Silhouette hat sich verändert“, fasst die Kreativdirektorin zusammen. In ihrem eigenen Kleiderschrank befinden sich übrigens Lieblingsstücke aus allen bisherigen Saisonen, und Karin Gustafsson kann nie vorhersagen, zu welchem sie sich eines Tages wieder hingezogen fühlt. Wie die Mode von gestern schaut ein in die Jahre gekommener COS-Entwurf ja ohnehin nicht aus. Und das ist schon eine großartige Designleistung.

Eine Reise des Autors nach London erfolgte auf Einladung von COS.

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