Ankara und Athen streiten über die Grenzen in der Ägäis. Hintergrund: die Flucht türkischer Putschisten nach Griechenland.
Athen. Am Donnerstag flatterten den griechischen Behörden wieder zwei türkische Ansuchen auf Auslieferung beziehungsweise Ausweisung türkischer Militärs aus Griechenland ins Haus. Das eine betraf die acht Soldaten, die sich direkt nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 nach Griechenland abgesetzt hatten. Das griechische Höchstgericht hatte Ende Jänner ihre Auslieferung abgelehnt. Das zweite betraf zwei türkische Soldaten, die erst im Februar in Nordgriechenland um Asyl angesucht hatten. In diesem Fall verlangte Ankara statt einer Auslieferung die Ausweisung der beiden Männer. In der Türkei wird behauptet, es handele sich um zwei Soldaten einer Eliteeinheit, die Präsident Recep Tayyip Erdoğan hätte ermorden sollen.
Die Türkei reagierte höchst ungehalten auf die griechische Zurückhaltung – und seither steigen die Spannungen in der Ägäis. Nur drei Tage, nachdem das Gericht die Auslieferung der acht Soldaten abgelehnt hatte, machte der Chef des türkischen Generalstabs ausgerechnet eine Spazierfahrt zum Felseneiland Imia in der östlichen Ägäis, dessentwegen es 1996 um ein Haar einen bewaffneten Konflikt zwischen den beiden Nato-Partnern gegeben hätte. Und damit seine Geste nicht unbemerkt blieb, ließ er das Video seines Besuchs in der türkischen Presse verbreiten.
Seither ist kaum ein Tag vergangen, an dem nicht von türkischer oder griechischer Seite weiter provoziert wurde. Ernst zu nehmen ist vor allem aber eine Warnung des griechischen Außenministers, Nikos Kotzias: Griechenland lasse sich nicht unbegrenzt provozieren. Werde eine rote Linie überschritten, müsse Athen angemessen reagieren. Gemeint war offenbar eine eventuelle Landung von türkischen Truppen auf Imia.
Fast alles ist umstritten
Zwischen den beiden Anrainern in der Ägäis ist so gut wie keine Grenze unumstritten. Zurzeit hat Griechenland eine Seegrenze von sechs Meilen, behält sich aber eine Ausdehnung auf zehn Meilen vor – was von der Türkei nach wie vor als Kriegsgrund betrachtet wird. Andererseits hat Athen seinen Luftraum auf zehn Seemeilen festgesetzt – was von der Türkei nicht anerkannt wird. Die Folge: Immer wieder kam es in den vergangenen Jahrzehnten zu Scheingefechten zwischen türkischen und griechischen Flugzeugen.
Dass auch der Festlandsockel umstritten ist, hat allerdings auch handfeste wirtschaftliche Gründe: Es werden Erdölvorkommen in der Ägäis vermutet. Bisher haben die Konflikte der Anrainerstaaten eine eingehende Erforschung oder gar Ausbeutung verhindert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2017)