"Krone" verstieß 2016 am häufigsten gegen Presserat-Ehrenkodex

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Insgesamt verhandelte der Presserat im vergangenen Jahr 307 Fälle, bei 33 davon wurde ein Verstoß gegen den Ehrenkodex festgestellt. Die Zahl der Fälle hat deutlich zugenommen, jene der Verurteilungen ist aber gesunken.

Der österreichische Presserat zog am Freitagvormittag Bilanz über das vergangene Jahr: insgesamt behandelten die drei Senate 307 Fälle, bei 33 Fällen wurde ein Verstoß gegen den Ehrenkodex festgestellt. Neun Verstöße wurden als geringfügig eingestuft, das jeweilige Medium daher nur darauf hingewiesen, dass sich Leser beschwert hatten. Insgesamt ist die Zahl der Fälle im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent gestiegen - nicht aber jene der Verurteilungen: 2015 gab es bei 253 Fällen 44 Ethikverstöße, davon neun Hinweise.

Am häufigsten verurteilt wurde dabei die "Kronen Zeitung", gefolgt von der Gratiszeitung "Österreich" und dem oberösterreichischen "Wochenblick", der aus dem Umfeld der FPÖ kommt. 

Wer verstieß wie oft gegen den Ehrenkodex?

  • "Kronen Zeitung": 65 Fälle und 13 Verstöße gegen den Ehrenkodex
  • "Österreich": 35 Fälle und vier Verstöße
  • "Wochenblick": sieben Fälle und drei Verstöße
  • "Heute": 24 Fälle und zwei Verstöße
  • "Kurier": 18 Fälle und zwei Verstöße
  • "Bezirksblätter": acht Fälle und zwei Verstöße
  • "Vorarlberger Nachrichten": vier Fälle, ein Verstoß
  • "Der Standard": 24 Fälle, kein Verstoße
  • "Die Presse": zehn Fälle, kein Verstoß
  • "Kleine Zeitung": zehn Fälle, kein Verstoß
  • "Profil": zehn Fälle, kein Verstoß
  • "Tiroler Tageszeitung": neun Fälle, kein Verstoß
  • "Salzburger Nachrichten": fünf Fälle, kein Verstoß
  • "Wiener Zeitung": fünf Fälle, kein Verstoß
  • "OÖNachrichten": vier Fälle, kein Verstoß 

Persönlichkeitsverletzungen und Diskriminierungen von Personengruppen machten den Großteil der Verstöße aus. Zum Beispiel wurde einer Journalistin eine "weiße Leber" unterstellt - gemeint war damit, dass diese nymphomanisch veranlagt sei. Die Veröffentlichung von Bildern der Opfer eines Amoklaufs in München auf oe24.at wurde als Verstoß gewertet, ebenso wie ein Artikel auf "wochenblick.at", in dem ein unbeteiligter Schwarzer in Zusammenhang mit sexuellen Übergriffen auf Kinder gebracht wurde. Die Veröffentlichung von brutalen Bildern von Opfern des Bürgerkriegs im Kongo in einer Straßenzeitung wurden ebenfalls abgemahnt.

Als Diskriminierung wurde ein Artikel in der "Kronen Zeitung" über angeblichen Sozialmissbrauch durch muslimische Bigamisten gewertet: Denn neben dem Artikel war eine Fotomontage mit einem lächelnden muslimischen Mann, den Schattenbildern zweier verschleierter Frauen und herabregnenden Geldscheinen. Einen Kommentar in einer Beilage der Wochenzeitschrift "News", in dem Muslimen pauschal sehr negative Haltungen und Eigenschaften bis hin zu Ehrenmord und Blutfehde zugeschrieben wurden, verstieß ebenfalls gegen den Ehrenkodex. Die Bezeichnung der befreiten KZ-Häftlinge von Mauthausen als "Massenmörder" und "Landplage" in der Zeitschrift "Aula" wurde als Verstoß gewertet - zu dem Text gab es auch ein Gerichtsverfahren.

Darüber hinaus gab es auch Verstöße gegen das Gebot, zwischen Werbung und redaktionellen Inhalten zu unterscheiden. So wurde ein Artikel in der "Kronen Zeitung" zur Superbowl, in dem ein Gebäck gezielt beworben wurde, als Ethikverstoß eingestuft. Beanstandet wurde auch eine nicht ausreichend gekennzeichnete Werbeeinschaltung für den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer auf der Titelseite einer Grazer Wochenzeitung.

Böhmermann-Gedicht nicht als Verstoß gewertet

Keine Ethikverstöße stellte der Presserat beim Abdruck des "Schmähgedichts" von Jan Böhmermann in der Tageszeitung „Österreich“ fest. Der zuständige Senat hielt eine öffentliche Debatte über das Gedicht, das auch politisch hohe Wellen geschlagen hatte, für gerechtfertigt.

Mehr als 20 Prozent zum Thema Flüchtlinge

Über 20 Prozent der Fälle betreffen derzeit das Thema Flüchtlinge, "das hat zugenommen", sagte Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek der APA. Angesichts der gesellschaftspolitischen Debatte sei das wenig verwunderlich. 

Einige Entscheidungen des Vorjahres wurden öffentlich heftig diskutiert. So etwa eine Cover-Illustration des "Falter", der auf die sexuellen Übergriffe in der Kölner Silvesternacht Bezug nahm. Der Senat 1 des Presserats sah einen Verstoß gegen Punkt sieben. Warzilek findet es gut, wenn eine Entscheidung eine Diskussion anregt: "Sie soll kein Endpunkt sein."

Stellungnahme zu Facebook

In der Debatte über "Fake News" sieht Warzilek den Begriff "teilweise auch politisch eingesetzt". Der Presserat hat mit diesem Phänomen nur bedingt zu tun, wenn man es als "Nachrichten, von dubiosen Quellen bewusst gesteuert" definiert. Und für Facebook ist er per Statut nicht zuständig. Dennoch hat er im Vorjahr in einer allgemeinen Stellungnahme erstmals direkt das Soziale Netzwerk angesprochen und die Verbreitung eines Videos, auf dem ein junges Mädchen von Gleichaltrigen geprügelt wird, als "unethisch" bezeichnet.

Soll der Presserat auch für "soziale" Netzwerke zuständig werden? Hier gelte es zum einen Aufwand und Machbarkeit abzuwägen, so Warzilek. Zum anderen ist fraglich, ob dies auf rein nationaler Ebene überhaupt Sinn mache. Doch "vielen ist es ein Anliegen, dass das Internet ethischer wird".

Mit "Österreich" hat unlängst ein weiteres Medium angekündigt, den Ehrenkodex künftig anzuerkennen und Entscheidungen des Presserats zu veröffentlichen. Am Donnerstag langte die entsprechende Selbstverpflichtung beim Presserat ein. "Wir freuen uns über jedes neues Mitglied und über jedes Bekenntnis zur Medienethik", sagte der Geschäftsführer dazu. Mit "Heute" - ebenfalls bisher nicht an Bord - gebe es Gespräche, erst "unlängst ein sehr angenehmes". Mit der "Kronen Zeitung" gebe es dagegen derzeit keinen offiziellen Kontakt.

Debatte um Presseförderung 

Dass es in der reformierten Presseförderung einen Bonus für Medien geben soll, die den Ehrenkodex anerkennen, begrüßt man im Presserat. "Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass diese Selbstverpflichtung Voraussetzung für den Bezug von Presseförderung ist", erklärte Warzilek am Freitag bei der Jahres-Pressekonferenz. Aber nun gelte es ohnehin, einmal auf den Gesetzesentwurf zu warten. Generell lege der Presserat Wert darauf, als unabhängiges Branchenorgan zu agieren und sich nicht allzu sehr in die Medienpolitik "einzumischen".

Medien müssen sie betreffende Entscheidungen des Presserats nicht veröffentlichen. Das würde Warzilek gerne ändern, analog zur Regelung in Deutschland.

>> Presserat.at

(Red.)

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