Nach dem sechsten Gesamtweltcupsieg in Folge und Riesentorlauf-Kristall ist Marcel Hirscher nun auch im Slalom die unumstrittene Nummer eins. Der Salzburger dominiert den Skisport wie kein Athlet zuvor. Ein Blick auf die Erfolgsbausteine.
Kranjska Gora/Wien. Als Slalom-Vierter mag Marcel Hirscher in Kranjska Gora zwar das Podest verpasst haben, weil Henrik Kristoffersen aber leer ausging, war damit auch der Sieg im Slalomweltcup Gewissheit – nur einen Tag nachdem der Salzburger noch etwas fassungslos seinen sechsten Gesamtweltcupsieg in Folge und zum Drüberstreuen auch die Riesentorlauf-Kugel bejubelt hatte. Insgesamt 14 Kristallkugeln, damit ist Hermann Maiers Rekord eingestellt, hat der 28-Jährige in den vergangenen sechs Jahren erobert, 44 Weltcupsiege gefeiert, sich sechsmal zum Weltmeister gekrönt. „Ich versuche mein Bestes wie jeder andere. Bei mir funktioniert es halt in den letzten Jahren sehr gut“, sagt der nun erfolgreichste Skirennfahrer der Geschichte. Ein Blick auf die Erfolgsbausteine seines Erfolgslaufs:
• Team. Eigener Trainer, Co-Trainer, Physiotherapeut, Konditionstrainer, Medienbetreuer, Serviceleute: Kein Weltcupathlet hat ein größeres Betreuerteam – und wer sich nicht mit den Befindlichkeiten in Trainingsgruppen abgeben muss, hat den Kopf frei fürs Rennfahren. Der wahre Vater des Erfolges aber ist der leibliche Vater. Ferdinand Hirscher hat die Karriere vom ersten Schwung an orchestriert, er testet alle Skier für den Sohnemann, hat vom Pistenrand den Überblick, ist der „Ruhepol“ im Team wie er selbst sagt. Der ÖSV ist stets informiert über die Vorgänge im Privatteam, echte Konfrontation gab es noch keine. Und Hirscher weiß auch, wann er von den Kollegen profitieren kann. Wenn es darauf ankommt, geht er aber keine Kompromisse ein.
• Körper. Das 1,73 Meter große Kraftpaket ist ein Modellathlet für die Technikdisziplinen. Längst sind Speedfahrer wie einst Maier und derzeit Svindal im Riesentorlauf chancenlos, Spritzigkeit und Bewegungstalent sind mehr denn je gefragt. Bei Hirscher stimmen zudem die Hebel und Proportionen, vor allem aber Körperbeherrschung und Gleichgewichtssinn sind Trumpf, geschult wurden sie in der Natur, im Sommer auf der vom Vater gepachteten Stuhlalm. Das Konditionstraining steuert Hirscher größtenteils selbst, für die richtige Regeneration sorgen die persönlichen Betreuer. Dass er praktisch verletzungsfrei von Sieg zu Sieg eilen kann, ist auch dem richtigen Haushalten mit Kraft und Energie geschuldet, nicht nur im Training, auch bei Verpflichtungen abseits der Pisten.
• Material. Hirschers Detailbesessenheit beim Setup ist legendär. Die Hundertstel, die ihm der richtige Ski einbringe, müsse er nicht herausfahren, wird er nicht müde zu erklären. Seiner Fantasie seien dabei keine Grenzen gesetzt, das Material ist längst nicht ausgereizt. Ausrüster Atomic spielt bei dieser unermüdlichen Suche mit, in Altenmarkt stehen Hirscher rund um die Uhr alle Möglichkeiten zur Verfügung. Die letzte Entscheidung aber fällt dann auf der Piste, dort ist Erfahrung, Feingefühl und mitunter auch Risiko gefragt.
• Konstanz. 15 Podestplätze in 22 Rennen in dieser Saison bedeuten ein Schnitt von 65 Punkten (100 für Platz eins) pro Weltcupstart. Insgesamt 44 Siege, weitere 62 Stockerlplätze hat Hirscher bei seinen 200 Weltcupstarts gesammelt. In den sechs Jahren der „Ära Hirscher“ ist er bei 68 Prozent seiner Rennen in die Top drei gefahren. Ausgefallen ist er im laufenden Winter noch nicht, er findet stets die Abstimmung aus Risiko und Sicherheit.
• Kopf. Niemand wandelt Druck und Erwartungen so in Erfolg um wie der Annaberger. Zum dritten Mal in Folge hat er heuer bei einer WM zweimal Gold und einmal Silber abgeräumt, ganz ohne Mentaltrainer. „Ich brauche keinen, ich habe einen Hund“, sagte Hirscher einmal. Cockerspaniel Timon steht folglich stellvertretend für das stimmige Umfeld und Hirschers Bodenständigkeit.
• Auftreten. Schon zu Saisonbeginn beantwortete Hirscher geduldig auch die einhundertste Frage nach der sechsten Kugel, ab sofort wird er wohl ebenso geduldig über Olympiagold 2018, seinen letzten fehlenden Titel, sprechen. Er verzichtet auf Phrasen, gibt durchaus Einblick in sein Seelenleben, teilt aber prompt auch aus, wenn er sich von „Experten“ ungerecht behandelt fühlt. Im Sommer aber macht er sich rar, „nicht permanent meinen Senf dazugeben“ nennt Hirscher das.
PREMIERENSIEG
Michael Matt feierte im Slalom von Kranjska Gora seinen Premierensieg im Weltcup. Der 23-jährige Arlberger, Zweiter nach dem ersten Durchgang, überholte im Finale den Italiener Stefano Gross (+0,30 Sek.), Dritter wurde der Deutsche Felix Neureuther (0,46). Marcel Hirscher sicherte sich als Vierter (0,80) die Disziplinenwertung.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2017)