Der Verteidigungsminister sieht das geplante EU-Militärhauptquartier überbewertet. Außenminister Kurz ist einer Militärzusammenarbeit vor dem EU-Gipfel in Brüssel aufgeschlossener: Er fordert eine EU-Krisenreaktionstruppe.
Bevor am Montag die Außen- und Verteidigungsminister der EU-Staaten zu einem Gipfeltreffen in Brüssel zusammenfinden, um den Aufbau eines gemeinsamen militärischen Hauptquartiers für Auslandseinsätze zu ebnen, zeigten Sebastian Kurz und Hans-Peter Doskozil Uneinigkeit über die Rolle der militärischen Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union.
Verteidigungsminister Doskozil schickte vorweg, dass das geplante EU-Militärzentrum "keine Vorleistung für eine europäische Armee" sei. "Wir werden heute kein Hauptquartier beschließen, sondern ein Koordinierungszentrum für Trainingseinsätze".
Doskozil schloss aus, dass Österreich sich einer europäischen Armee anschließen würde. "Wir werden sicherlich nicht Teil der europäischen Armee sein, wenn es darum geht, dass wir möglicherweise hier einen Beitragsautomatismus sehen. Das ist mit unserer Neutralität nicht vereinbar", betonte er. Es mache aber Sinn, dass sich die EU-Staaten bei Trainingseinsätzen koordinierten, dies sei auch ein österreichisches Ziel. "Der Weg darf nicht in Richtung europäische Armee gehen", betonte er.
Doskozil: "Neutralität nicht aushöhlen"
Bereits jetzt würden die zentraleuropäischen Länder und die Balkan-Staaten auf ziviler, polizeilicher und militärischer Ebene bei Migration und zum Schutz der EU-Außengrenze zusammenarbeiten. Andererseits gelte in Österreich die Neutralität. Diese sei "für uns die oberste Prämisse. Wir werden die Neutralität nicht aushöhlen." Die Idee einer EU-Armee stoße in Europa auf wenig Zustimmung, meinte Doskozil. Das hätten Deutschland und Frankreich in ihrem Positionspapier bereits klargemacht. Denn gemeinsame Truppen würde einen Souveränitätsverlust für die EU-Staaten bedeuten - derzeit wollten die EU-Länder aber keine Souveränität abgeben.
Aufgeschlossen für mehr militärische Zusammenarbeit in Europa war am Montag hingegen Außenminister Kurz: Er wiederholte seinen Vorschlag für eine "schnelle EU-Krisenreaktionstruppe", die die bisher inaktiven EU-Battlegroups ersetzen sollte. Sie soll militärisch in Dritt-Staaten, im Katastrophenfall und für den Schutz der EU-Außengrenzen eingesetzt werden und in Richtung Stabilität, Friedenserhalt und Terrorismusabwehr zielen, sagte Kurz im ORF-Radio "Ö1-Morgenjournal".
Die EU-Battlegroups hätten als nicht stehende Gruppe nie wirklich funktioniert. Österreich sollte diese neue EU-Eingreiftruppe in Einklang mit der Neutralität finanziell und personell unterstützen. Es brauche Engagement über die Landesgrenzen hinaus. Dieses Bekenntnis zu mehr Zusammenarbeit in Außen- und Sicherheitspolitik "kommt gut an" in der EU, meinte Kurz.
Schleppereinsätze über Hauptquartier organisieren
Über das neue Planungs- und Führungszentrum, das die EU-Minister am Montag beschließen wollen, könnten nach Angaben aus EU-Kreisen bereits in einigen Monaten die Ausbildungsmissionen in Mali, Somalia und Zentralafrika gesteuert werden.
Mittelfristig ist angedacht, auch andere Arten von Einsätzen über das neue Hauptquartier zentral zu koordinieren. Dies könnten zum Beispiel der Anti-Schlepper-Einsatz vor der libyschen Küste oder die Anti-Piraterie-Operation Atalanta am Horn von Afrika sein. Eingerichtet werden soll das neue Hauptquartier im bereits bestehenden EU-Militärstab in Brüssel. Dieser wird den Planungen zufolge auch die ersten 30 bis 35 Mitarbeiter stellen. Aus Österreich werden Kurz und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) zu dem EU-Ministertreffen erwartet.
London mahnt zu mehr Zusammenarbeit mit Nato
Großbritannien, das sich stets gegen eine gemeinsame EU-Armee gewehrt hatte, warnte die EU-Staaten vor einer "unnötigen Doppelgleisigkeit". "Wir appellieren dringend an die EU, enger mit der NATO zusammenzuarbeiten", sagte Verteidigungsminister Michael Fallon.
Obwohl Großbritannien die EU verlasse, werde sein Land weiter mit den europäischen Partnern in Verteidigungs- und Sicherheitsfragen und im Kampf gegen Terrorismus und Aggression zusammenarbeiten, sagte Fallon. So entsende Großbritannien Truppen nach Estland und Polen und schicke Kampfjets nach Rumänien. Großbritannien werde auch weiter eine Rolle bei der EU-Mission im Mittelmeer zur Rettung von Migranten und Verfolgung von Schleppern spielen.
Die EU müsse enger mit der NATO zusammenarbeiten, "um eine unnötige Duplizierung zu vermeiden". Vielmehr sei eine Zusammenarbeit bei neuen Bedrohungen wie der Cyber-Sicherheit erforderlich.
>>> Link zum Interview im Ö1-Morgenjournal.
(APA/dpa)