Am Ende dürfte der Kanzler auch die SPÖ-Frauen überzeugt haben: Die 46-jährige Medizinerin Pamela Rendi-Wagner wird neue Gesundheits- und Frauenministerin. Ein Porträt.
Wien. Der Internationale Frauentag am heutigen Mittwoch beginnt mit einer neuen Frauenministerin. Genauer gesagt: mit einer neuen Gesundheits- und Frauenministerin. Das Präsidium der SPÖ trifft sich um acht Uhr im Parlament, um die Nachfolge der verstorbenen Sabine Oberhauser zu regeln. Danach ist der Parteivorstand an der Reihe.
Die Vorentscheidung war allerdings schon am Dienstag durchgesickert. Zu Mittag gab es noch keinen Wikipedia-Eintrag über Pamela Rendi-Wagner, zwei Stunden später schon. Das war vermutlich kein Zufall. Um 17 Uhr kam dann die Bestätigung vom Kanzler. Rendi-Wagner sei eine „hervorragend qualifizierte“ Gesundheitsexpertin, kenne aber auch die Sorgen der Frauen in der Arbeitswelt, sagte Christian Kern dem ORF.
Der Kanzler hat seine Favoritin also durchgesetzt. Auch gegen den Widerstand der SPÖ-Frauen, die eingewendet hatten, dass die 46-jährige Medizinerin frauenpolitisch unerfahren und in der Partei nicht wirklich verankert sei. Eine Mitgliedschaft im Bund Sozialdemokratischer Akademiker (BSA) reicht offenbar nicht aus.
Andererseits – und das dürfte Kerns Gegenargument gewesen sein – wird es frauenpolitisch auch kein Nachteil sein, wenn eine anerkannte Gesundheitsexpertin, die als Wissenschaftlerin Karriere gemacht hat, Frauenministerin wird. Parteiverankerung hin oder her.
Erfolg beim Zeckenimpfstoff
Doktor Joy Pamela Rendi-Wagner promovierte 1996 in Wien und machte dann – unter anderem an der London School of Hygiene and Tropical Medicine – eine Ausbildung zur Fachärztin für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin. Ihre Spezialgebiete sind Impfprävention, Reisemedizin und Infektionsepidemiologie. Über zehn Jahre arbeitete sie als Wissenschaftlerin am Tropeninstitut der Med-Uni Wien. Dort etablierte sie unter anderem ein Netzwerk zur flächendeckenden Überwachung von Infektionskrankheiten.
Daneben legte die gebürtige Wienerin einige Studien vor, die zur Grundlage für impfpolitische Entscheidungen in Österreich wurden. Auf eines ihrer Forschungsergebnisse ist es zurückzuführen, dass das empfohlene Intervall bei der Zeckenschutzimpfung von drei auf fünf Jahre ausgedehnt wurde. 2008 habilitierte sich Rendi-Wagner mit dem Thema „Prävention durch Impfungen“ in Wien. Im selben Jahr nahm sie auch eine Gastprofessur an der Tel Aviv University an. Ihr Ehemann, Michael Rendi, heute Kabinettschef von Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ), war damals Botschafter in Israel geworden.
Drei Jahre später kehrte Michael Rendi nach Österreich zurück, weil seine Frau ein Jobangebot von Gesundheitsminister Alois Stöger bekommen hatte. „Das tut er auch wegen mir“, sagte Rendi-Wagner damals über ihren Mann. Am 1. März 2011 wurde sie Leiterin der Sektion III im Gesundheitsministerium.
In dieser Funktion machte sich die Mutter zweier Töchter schon bald einen Namen, etwa als Krisenmanagerin nach der Atomkatastrophe in Fukushima oder in Zeiten von Ebola. Ihre Fernsehauftritte dienten der Panikprävention und waren Werbung in eigener Sache. Zu sehen war eine rhetorisch und inhaltlich souveräne Expertin. Als leitende Beamtin hat Rendi-Wagner die zehn Rahmengesundheitsziele miterfunden, eine Handlungsanleitung für die nächsten 20 Jahre, die den Fokus auf die Prävention richtet und damit weg von der reinen Reparaturmedizin. Im November 2015 wurde sie von der „Plattform Gesundheitswirtschaft Österreich“ (Wirtschaftskammer) zur Gesundheitsmanagerin des Monats gewählt.
Erste Bewährungsprobe
In Interviews forderte Rendi-Wagner stets, dass sich die Gesundheitspolitik stärker an den Interessen der Patienten orientieren müsse – und weniger an jenen der Systempartner (Bund, Länder, Sozialversicherungen). Die Neuorganisation der Primärversorgung, gegen die sich die Ärztekammer mit allen Mitteln sträubt, könnte da ihre erste Bewährungsprobe werden.
Viel Zeit zum Gestalten bleibt ihr fürs Erste nicht. Spätestens im Herbst 2018 wird der Nationalrat neu gewählt, wahrscheinlich früher, womöglich noch heuer. Notfalls hat Rendi-Wagner ein Rückkehrrecht in die Beamtenschaft, wenn auch nicht in denselben Job. Denn die Sektionsleitung wird nach ihrem Wechsel in die Regierung neu ausgeschrieben.
Auf einen Blick
Der Zeitplan. Die Nachfolge der verstorbenen Ministerin Sabine Oberhauser wird heute, Mittwoch, in den SPÖ-Gremien abgesegnet. Um acht Uhr trifft sich das Präsidium, danach der Vorstand. Sowohl die Gesundheits- als auch die Frauenagenden wird die bisherige Sektionschefin Pamela Rendi-Wagner übernehmen. Ihre Angelobung als Ministerin könnte am Montag stattfinden. In der Nationalratssondersitzung am Dienstag soll sie vorgestellt werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2017)