IGGiÖ: Frauen können auch mit Gesichtsschleier spazieren und einkaufen

Symbolbild: Frau, die eine Burka trägt, mit Kind am Arm
Symbolbild: Frau, die eine Burka trägt, mit Kind am Arm(c) APA/EPA (FRANCK DUBRAY)
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Die Islamische Glaubensgemeinschaft spricht sich gegen das geplante Burkaverbot aus. Die ÖVP lässt die Kritik nicht gelten: "Wir müssen klar machen, was tolerieren wir und was eben nicht."

Der Einsendeschluss für Kritik oder Bedenken am von SPÖ und ÖVP geplanten Integrationsgesetz ist am Frauentag, also dem gestrigen Mittwoch, abgelaufen. Nun gilt es, die Einwände zu sortieren und zu bewerten – und deren Zahl kann sich sehen lassen. Insbesondere gegen das vorgesehene Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Raum (daneben ist u.a. auch ein verpflichtendes Integrationsjahr, mehr Deutschkurse und gemeinnützige Arbeit für Asylberechtigte vorgesehen) regt sich Widerstand.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hält das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz für den „negativen Höhepunkt“ des Gesetzespakets und lehnt es als „ungeeignet, unverhältnismäßig, diskriminierend, kontraproduktiv und nicht zuletzt grundrechtswidrig“ ab. Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) sieht darin einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens, der Religionsfreiheit und der Meinungsäußerungsfreiheit. Darüber hinaus lehnt die Glaubensgemeinschaft auch jenen Passus ab, der Polizisten, Richtern und Staatsanwälten das Tragen besonders sichtbarer religiöser Symbole wie das Kopftuch untersagen soll.

Vollverschleierungsverbot

Das Vollverschleierungsverbot soll mit 1. Juli in Kraft treten und sieht bei Verstößen eine Verwaltungsstrafe von 150 Euro vor. Das Innenministerium plädiert in seiner Stellungnahme für „eine gewisse Legisvakanz" und regt ein Inkrafttreten erst mit Herbst 2017 an. Es seien nämlich noch entsprechende Vorbereitungs- und Schulungsmaßnahmen zu ergreifen.

"In Frankreich wurden verschleierte Frauen zu Heldinnen"

Der „Kurier“ zitiert IGGiÖ-Präsident Ibrahim Olgun am Donnerstag folgendermaßen: „Es kann davon ausgegangen werden, dass die Teilnahme besagter Personengruppe (Muslima, die eine Gesichtsverschleierung tragen, Anm.) am öffentlichen Leben darin liegt, Einkäufe zu tätigen bzw. Behördengänge zu erledigen oder Arztbesuche vorzunehmen oder etwa Spaziergänge (…) oder auf die Kinder aufzupassen.“ Darauf folgt die Frage, „inwiefern der Kommunikation geholfen wäre, wenn besagte Frauen die angeführten Tätigkeiten ohne Gesichtsschleier verrichten?“

IGGiÖ-Frauenbeauftragte Carla Amina Baghajati fügte im „Kurier“ hinzu: „Es ist leider eine Tatsache, dass vollverschleierte Frauen meistens keinem Beruf nachgehen können und sich ihr öffentliches Leben auf diese Dinge beschränkt.“ Das sei mit ein Grund, weshalb sie „keine Sympathien“ für den Gesichtsschleier habe. Ein Verbot lehnt sie trotzdem ab: Kopftuch und Schleier seien Kleidungsstücke, die für manche zur Glaubenspraxis gehören. In Frankreich habe das Verbot außerdem dazu geführt, "dass verschleierte Frauen zu Heldinnen hochstilisiert werden. Ihre Männer zahlen dann stolz die Strafen.“ Burkaträgerinnen würden damit zu „Werbeflächen für eine radikale Ideologie“.

Die Dokustelle für Muslime vermutet, dass das Vollverschleierungsverbot betroffene Frauen „in die Isolation" treiben werde. Auch die Arbeiterkammer befürchtet, dass die Regelung „ihren völligen Ausschluss aus dem öffentlichen Raum zur Folge hat“. Die Agenda Asyl, hinter der die Asylkoordination, die Diakonie, das Integrationshaus, SOS Mitmensch sowie die Volkshilfe stehen, sieht durch die Maßnahme das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Religionsfreiheit sowie auf freie Gestaltung der Lebensführung verletzt.

ÖVP hält an Burkaverbot fest

Die ÖVP hält trotz der Kritik in der Begutachtung am Integrationsgesetz fest. „Ich halte an den Vorhaben im Integrationsgesetz natürlich fest", sagte Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz am Donnerstag. Details könne man zwar berücksichtigen, die Bedenken teile er aber nicht. Auch das Burkaverbot will er umgesetzt wissen: „Die Kritik, dass Männer ihre Frauen dann nicht mehr aus dem Haus lassen, kann wohl kein ernst gemeinter Grund in einer aufgeklärten Demokratie sein. Da müssen wir klar machen, was tolerieren wir und was eben nicht.“

Auch Klubchef Reinhold Lopatka betonte, es handle sich um ein „notwendiges Gesetz“ und drängt auf die Umsetzung: „Wir werden im Parlament alles tun, dass dieses Gesetz in Rechtskraft kommen wird.“ Kritik, wonach dem Arbeitsmarktservice für das verpflichtende Integrationsjahr zu wenig Ressourcen zur Verfügung stehen würden, kann der Klubobmann nicht nachvollziehen. „Das AMS verfügt im Vergleich zu anderen Staaten in Österreich durchaus über eine sehr gute finanzielle Absicherung.“ Auch beim Burkaverbot bleibt er: „Entweder gibt's ein Vollverschleierungsverbot oder keines. Ich bin dafür, dass es das gibt.“ Der ÖVP-Klubchef geht davon aus, dass der Koalitionspartner SPÖ die geplanten Änderungen trotz der kritischen Stellungnahmen mitträgt.

>>>> Bericht im „Kurier“

(Red./APA)

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