Jungpolitiker

"Der Generationenkonflikt ist ein Blödsinn"

Jungpolitiker: "Der Generationenkonflikt ist ein Blödsinn"
Jungpolitiker: "Der Generationenkonflikt ist ein Blödsinn"(c) APA (HERBERT PFARRHOFER)
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»„Wir brauchen die Herausforderung der jungen Generation, sonst würden uns die Füße einschlafen.“«

Willy Brandt

„Hast du Vertrauen in die Politik?“ - „Nein“, sagt die Mehrheit der jungen Menschen in Österreich. Die Jugendstudie „Generation What?“ behauptet von sich, ein Selfie der jungen Generation zu zeichnen. Das Bild, das von Jugendlichen und Politik auf den ersten Blick entsteht, ist besorgniserregend: Nur 15 Prozent der 55.000 befragen jungen Menschen zwischen 16 und 34 Jahren gibt an, der Politik völlig oder zumindest teilweise zu vertrauen. Ein Fünftel der Befragten hält Politiker generell für korrupt. „Junge Leute vertreten nicht mehr die Meinung, dass die Politik noch viele Dinge umsetzen kann. Sie haben nicht das Gefühl, dass sie noch Repräsentanten haben, die etwas für junge Leute tun“, sagt Jugendforscher Philipp Ikrath. Die klassischen Institutionen, wie sie Parteien und Jugendorganisationen, Gewerkschaften und Kirchen darstellen, hätten stark an Bedeutung verloren. Junge fürchten den Verlust ihrer Individualität sowie die Vereinnahmung durch den Parteiapparat, meint Ikrath. Und: „Es ist nicht cool, einer Partei anzugehören.“

Viele Junge wollen also von den Parteien nichts wissen und überlassen der älteren Generation die politischen Entscheidungen. Hinzu kommt der Eindruck, dass die Älteren ohnehin über die Jungen bestimmen. Die Wahl der Briten zum Brexit im vergangenen Jahr zeigte eindrucksvoll, welchen Einfluss die Diskrepanz zwischen Alt und Jung auf das politische Geschehen haben kann: 60 Prozent der über 65-jährigen Briten stimmten für einen Austritt aus der EU, 73 Prozent der unter 25-Jährigen für einen Verbleib. Die ältere Generation bestimmte den Ausgang der Wahl, während sich die britische Jugend um ihre Zukunft beraubt sah.

Auch in Österreich stellen die Älteren eine wesentlich größere Wählergruppe dar. So gab es bei der Bundespräsidentenwahl im Dezember rund 2,4 Millionen Wahlberechtigte über 55 Jahren im Vergleich zu 1,7 Millionen unter 35 Jahren. 858.000 16- bis 25-Jährige bildeten die jüngste und kleinste Wählergruppe. Unterschiede zwischen den Generationen lassen sich am Wahlverhalten der Österreicher ablesen, erklärt Florian Oberhuber vom Meinungsforschungsinstitut SORA. Vor allem die Großparteien bekommen dies zu spüren. Die vergangenen Nationalratswahlen im Jahr 2013 zeigten ganz deutlich „dass die Jungen unterdurchschnittlich Rot und Schwarz wählen, und überdurchschnittlich Grün und Neos. Vor allem junge Männer wählen wesentlich häufiger die FPÖ.“ In der Wählergruppe der ab 60-Jährigen waren SPÖ und ÖVP mit je über 30 Prozent der Stimmen eindeutig die Gewinner.

Die fleißigsten Wähler

Ganz egal ist den Jungen die etablierte Politik aber nicht. Immerhin gingen 79 Prozent der Wählerinnen und Wähler der Altersgruppe 16-29 zur Bundespräsidentenstichwahl im Mai 2016. Jene Gruppe lag damit deutlich über der allgemeinen Wahlbeteiligung in Österreich von 72 Prozent. Bei der Wählergruppe der über 60-Jährigen waren es überhaupt nur 64 Prozent, die zur Wahl gingen. Ob die im Vergleich sehr geringe Wahlbeteiligung der Älteren damit zusammenhängt, dass diesmal ein Kandidat des rechten sowie einer des linken politischen Randes zur Wahl standen und kein Vertreter der Regierungsparteien, kann nur vermutet werden. Auch bei der Nationalratswahl 2013 waren die bis 30-Jährigen mit einer Wahlbeteiligung von 79 Prozent die fleißigsten Wähler. 74 Prozent der 30- bis 59-Jährigen und 71 Prozent der über 60-Jährigen gingen damals zur Wahl.

Was gewählt wird, hängt nicht nur vom Alter ab. Einerseits sind Geschlecht, Bildungsgrad oder Sozialmilieu ausschlaggebend, andererseits die persönlichen Erwartungen an die Zukunft. Pessimistisch eingestellte Menschen wählten bei der vergangenen Wahl im Dezember zum Großteil Norbert Hofer (FPÖ), optimistische eher Alexander Van der Bellen (Grüne). Dass vier von zehn Jugendlichen eher pessimistisch in ihre Zukunft sehen, kann ihnen Oberhuber nicht verdenken: „Das ist eine Generation, die mit Unsicherheitserfahrungen groß geworden ist: Terror, Krisen, Sparpakete, das spiegelt sich wider.“ Eine Politikverdrossenheit sei der jungen Bevölkerung in den Wahlstudien der letzten Jahre aber nie diagnostiziert worden, „eher eine Politikerverdrossenheit“.

Parteien wollen wieder jung sein

Gerade die Regierungsparteien stünden für das Establishment, für Stillstand und sind für junge Menschen langweilig, meint Ikrath. Junge Leute, die sich in der österreichischen Politik engagieren, bekommen dies oft am eigenen Leib zu spüren: „Ich hör oft: ‚Oh Gott, warum tust du dir das an?‘“ erzählt Julia Herr, Vorsitzende der Sozialistischen Jugend. „Man muss sich oft rechtfertigen, warum man da eigentlich dabei ist.“ Für sie gibt es aber einen klaren Unterschied: Das Misstrauen gelte den Parteien, das Interesse am politischen Geschehen abseits institutionalisierter Politik sei nach wie vor sehr groß.

Dieses Interesse zu aktivieren fällt den Parteien schwer. Aktionen und Kampagnen, die speziell Jugendliche ansprechen sollen, wirken oft platt und aufgesetzt. Die Grünen versuchten 2013 mit dem Magazin „Eva“ bei den Jungwählern zu punkten. Das Cover schmückte der Nachwuchspolitiker Julian Schmid, mitgeliefert wurde ein Gratis-Kondom. Eingebracht hat es den Grünen vor allem die Kritik der eigenen Jugendorganisation, der Junge Grünen, die das Heft als „inhaltslos“ bezeichnete. Viel Spott erntete auch der heutige Außenminister Sebastian Kurz mit seiner „Geil-o-mobil“-Kampagne zur Wien-Wahl 2010, als er mit schwarzem Geländewagen und vollbusigen Begleiterinnen junge Wiener für die ÖVP begeistern wollte. Die FPÖ baute indes mit den „HC Strache-Raps“ schon mehrmals auf die Gesangskünste ihres Parteiobmanns, um Junge anzusprechen.

Obwohl im Moment nur fünf Abgeordnete im Nationalrat unter oder gerade 30 Jahre alt sind, ist sich Herr sicher, dass Parteien wieder mehr auf junge Menschen setzen. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Nachwuchsförderung sei wieder gestiegen, glaubt die 24-Jährige. Allerdings müsse man aufpassen, dass junge Menschen nicht zu „jugendliches Aushängeschild“ würden, sondern: „Wenn man eine junge Person in die Partei holt, sollte es darum gehen, dass sie Dinge neu macht, neue Zugänge hat und vielleicht auch kritischer ist - nicht nur um das Alter an sich.“

Alte gegen Jungpolitiker?

Kritik bekommt gerade die SPÖ von der Sozialistischen Jugend öfter zu hören. So hatte sich Herr Anfang 2016 öffentlich gegen den damaligen Bundeskanzler Werner Faymann gewandt, und ihrer eigenen Partei eine inhaltliche Neuorientierung empfohlen. Auch die Jungen Grünen fühlen sich wohl in ihrer Rolle als kritisches Korrektiv gegenüber der Mutterpartei. Zuletzt wurde der Unmut der Jungen Grünen gegen die Parteispitze im Zusammenhang mit der Kandidatur von Van der Bellen laut. Öffentlich ausgesprochen wird die Kritik vor allem dann, wenn sie im Vorfeld nicht in die Entscheidung eingebunden werden, erzählt die 22-jährige Flora Petrik, seit Jänner 2017 Bundessprecherin der Jungen Grünen. „Es gibt schon Leute, die dann verärgert sind, aber viele Grüne sind froh darüber, dass es jemanden gibt, der ihnen auf die Finger schaut.“ Als Obmann einer Jugendorganisation müsse man sich oft zwischen Parteikonformität oder Kritik entscheiden, meint auch Douglas Hoyos, Obmann der Junos. Der 26-Jährige war zuletzt 2014 mit seiner Forderung zur Drogen-Legalisierung in Konflikt mit Neos-Parteiobmann Matthias Strolz geraten.

ÖVP und FPÖ müssen sich hingegen selten mit öffentlichen Unmutsäußerungen ihrer Jugendorganisationen beschäftigen. Bei der FPÖ, so Maximilian Krauss, Bundesobmann des Rings Freiheitlicher Jugendlichen, stoße er eigentlich auf keinen Widerstand. „Dadurch, dass wir sehr junge Spitzenfunktionäre haben, haben wir in der Partei einen guten Zusammenhalt auch über die Generationen hinweg“, ist der 24-Jährige überzeugt, obwohl sein Parteiobmann Heinz-Christian Strache bereits 47 Jahre alt ist.

Dass die Junge ÖVP immer noch den 30-jährigen Sebastian Kurz als Obmann hat, macht sie unter den Jugendorganisationen der Parlamentsparteien zu einem einflussreichen Sonderfall. Kritik der Jungen nach ‚oben‘ sei da oft gar nicht nötig. „Da wir gleichwertig mit am Tisch sitzen, werden wir auch gehört“, erzählt Stefan Schnöll (28), Bundesgeschäftsführer der Jungen ÖVP. Intern werde natürlich heiß debattiert, und er habe auch schon des öfteren „eine auf den Deckel gekriegt“. Dass aber auch zwischen den ÖVP-Generationen Konflikte existieren, zeigte etwa eine Diskussion im Jahr 2010, als der damalige Bundesobmann des ÖVP-Seniorenbundes Andreas Khol und Kurz öffentlich über die Reformen des Pensionssystem stritten und das ÖVP-Urgestein den jungen JVP-Chef scharf zurechtwies.

Unterschiedliche Ansichten zwischen Parteispitzen und deren Jugendvertreter seien aber kein Ausdruck eines Generationskonflikts, darüber sind sich alle Jungpolitiker einig. „Es wird oft versucht, Jung gegen Alt gegeneinander auszuspielen“ analysiert Schnöll. Auch Herr sieht es ähnlich: „Der Generationenkonflikt ist ein Blödsinn, der wird hervorbeschworen“. Deswegen gelte es auch, junge Menschen mit den richtigen Themen zu erreichen, anstatt, wie das auch in ihrer Partei öfter gemacht wird, Jugendliche nur auf das Jung-sein zu reduzieren. „Pseudodebatten“, nennt Petrik das, was viele junge Leute politikverdrossen macht. „Es geht nicht darum, was die Kids cool finden, sondern ob die Kids sich ihre Miete leisten können.“ Parteien sollten stattdessen wieder die großen sozialen Fragen stellen. Auch Hoyos ist für eine Rückkehr zu themenbezogener Politik: „Die Leute haben Inhaltslosigkeit und Populismus satt.“

Wie die Politik Junge begeistern kann

Jugendforscher Ikrath sieht ebenfalls keinen politischen Generationenkonflikt. Der Konflikt bestehe stattdessen zwischen unterschiedlichen sozialen Milieus. Politiker könnten junge Menschen über Themen erreichen, aber nur wenn diese an die Lebenswirklichkeit anknüpfen und im Alltag präsent sind: „Das geht über Mietpreise bis hin zur Rolle von Mann und Frau oder Homosexualität“. Je emotionaler das Thema dabei aufgeladen ist, desto interessanter sei es. Persönlichkeiten wie Kurz seien ein Aspekt davon: „Er ist ein Typ, der das Spiel mit der Ästhetik sehr gut beherrscht.“ Dessen ist sich auch Schnöll bewusst. Um neue Mitglieder zu gewinnen und Menschen für Politik zu begeistern sei Kurz, neben den starken ländlichen Strukturen, das „große Asset“ der Jungen ÖVP. Für die Freiheitlichen sei Strache so eine schillernde, die Jugend anziehende Figur, meint Krauss. Für ihn fußt der Erfolg seines Parteichefs auf zwei Pfeilern: Attraktive Themen sowie ein direkter, moderner Kommunikationsdraht - Facebook. Hier führt Strache die inoffizielle Politikerrangliste mit rund 520.000 Fans, dicht gefolgt von Kurz mit 432.000 Fans (Stand 22 Jänner 2017).

(c) APA/ANDREAS PESSENLEHNER (ANDREAS PESSENLEHNER)

Der persönliche Kontakt sei dennoch nach wie vor der beste Weg, um neue Mitglieder zu gewinnen, ist etwa die SJ überzeugt. „Wenn du die coolen Kids hast, die ‚Ziager‘, dann hast du gleich auch eine funktionierende SJ-Gruppe“, erzählt Herr. Petrik ist skeptisch: „Es braucht politische charismatische Leute, um Leute zu begeistern, aber um langfristig die Lust auf Politik zu wecken, braucht’s was anderes“. Sie ist der Meinung, dass Junge vor allem ernst genommen werden wollen. Ikrath wiederum ortet unter Jugendlichen mehrheitlich den Wunsch nach einer radikalen Änderung. Was genau sich ändern solle, wisse aber keiner. Das merke man etwa in der Art, wie sich Junge politisch organisieren: Forderungskataloge, Hierarchien oder Institutionalisierung, all die Merkmale von politischen Parteien, gibt es bei Jugendbewegungen wie Uniprotesten oder Occupy nicht mehr. „Es sind Individuen, die sich zu einem Protest zusammenfinden, aber dieser Schwarm ist ziellos.“

Ganz so radikal sehen es die Jungpolitiker nicht. Doch auch sie beobachten eine Tendenz, die weg von typischen Parteimitgliedschaften hin zu dynamischen Bewegungen geht. „Parteien, wie wir das in dieser Form in Österreich haben, haben ausgedient“, meint Hoyos. „Ich glaube, es wird immer mehr Bewegungen geben, die plötzlich da, aber dann auch wieder weg sind.“ Wie es letztlich auch ausgehen mag, als sicher gilt, dass die Jungpolitiker noch viel Energie und Durchsetzungsvermögen brauchen sowie den einen oder anderen Konflikt austragen werden müssen, um ihre Ziele zu erreichen. Aber schließlich gehört auch das zum ‚Politik machen‘ dazu.

(Von Teresa Wirth)

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