Die mühsame Geburt eines neuen Lehrberufs

Lehrlinge. Es vergehen bis zu zwei Jahre, bis Lehrinhalte aktualisiert oder neue geschaffen sind. Für die Digitalisierung heißt das: bitte warten.

Berufsbilder verändern sich, neue entstehen. Da heißt es, ständig die Augen offen zu halten, was sich auf dem Markt so tut, und die Ausbildung des Nachwuchses zeitnah anzupassen.
Am Dienstag stellte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner sein neues Lehrberufspaket vor. Acht Lehrberufe werden noch 2017 entstaubt, bis 2020 will er 54 weitere vor allem an die Digitalisierung anpassen bzw. neu schaffen („Die Presse“ berichtete).

Einer davon ist Informationstechnologie mit derzeit 1563 Lehrlingen – ein Zukunftsberuf, auf dem große Hoffnungen ruhen. Die aktuelle Ausbildung wurde vor elf Jahren konzipiert. Elf Jahre sind in der IT eine gefühlte Ewigkeit, in der einige bahnbrechende Innovationen den Markt aufmischten. So wurde etwa das iPad 2010, also vor sieben Jahren, der Weltöffentlichkeit vorgestellt.
In einem derart schnelllebigen Beruf müssen Lehrlinge bis 2020 warten, um dann nach heutigem State of the Art unterrichtet zu werden?

Nachdenklich macht auch Installations- und Gebäudetechnik mit aktuell 3895 Lehrlingen. Wer sich die grundlegend neuen Möglichkeiten zur Reduktion des Energieverbrauchs vor Augen hält, wundert sich, warum auch hier Lehrlinge noch bis 2020 mit altem Wissen gefüttert werden.

Auf der Liste der Lehrberufe in der Konzeptionsphase bis 2020 finden sich noch weitere, für die schon heute die Nachfrage boomt: etwa E-Commerce-Kaufmann/-frau, Fahrradmechatronik (Stichwort E-Bike), Sportgerätetechnik (Stichwort Vernetzung), Glasverfahrenstechnik oder Chemieverfahrenstechnik (beide im Lichte von Automatisierung, Vernetzung und Robotik).

Warum es so lang dauert

Ein bis zwei Jahre dauert die Geburt eines neuen Lehrberufes im Schnitt. Modernisierungen gehen etwas schneller. Wie zügig der Instanzenweg durchschritten wird, hängt von mehreren Faktoren ab: wie groß etwa der Konsens unter den Sozialpartnern ist, wie komplex das Berufsbild ist und wie umfangreich die Lehrpläne in den Berufsschulen sind.

Der Anstoß kommt entweder aus der Branche selbst, aus dem Wirtschaftsministerium, von den Sozialpartnern oder kombiniert von mehreren Seiten. Bis zur Entscheidung verstreicht im Schnitt ein halbes Jahr. Dann zieht das Wirtschaftsministerium das Institut für Bildungsforschung bei. Dessen Aufgabe ist es, das Erstellen eines qualitativen Berufsbildes auch wissenschaftlich zu begleiten.
Ist der Entwurf (das härteste Stück Arbeit) fertig, reicht ihn das Wirtschaftsministerium beim sozialpartnerschaftlich besetzten Berufsausbildungsbeirat ein. Je nach Interessenslage zieht dieser eigene Experten bei, die den Entwurf ihrerseits kommentieren.
Zuletzt passt man die Rahmenpläne für die Berufsschulen an. Als krönender Abschluss werden die neuen Ausbildungsvorschriften begutachtet und erlassen. Und dann nimmt man sich den nächsten Lehrberuf vor.

Einen nach dem anderen

Seit 2010 überarbeitete das Wirtschaftsministerium 56 solcher Lehrpläne, mit einem jeweils ein bis zwei Jahre dauernden Prozess. Es gibt auch Ausnahmen: Der neue Lehrberuf Hotelkaufmann/-frau wurde in nur einem halben Jahr durchgepeitscht.

Auf einen Blick

Das Lehrberufspaket 2017 des Wirtschaftsministeriums modernisiert acht Berufsbilder. Vier davon tragen der Digitalisierung Rechnung (Digitaler Verkauf, Reifen- und Vulkanisationstechnik, Fertigteilhausbau und Sonnenschutztechnik). Bis zum Jahr 2020 werden etwa die Berufsbilder E-Commerce-Kaufmann/-frau, Glasverfahrenstechnik, IT, Chemieverfahrenstechnik, Fahrradmechatronik oder Sportgerätebautechnik neu geschaffen oder überarbeitet.

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