„Eine Prinzessin war ich noch nie“. Schriller Koi mit Misophonie

Ankathie Koi hat 2016 das Popfest kuratiert. Mit ihrem Duo Fijuka war sie sehr erfolgreich. Nun folgt das erste Soloalbum „I Hate The Way You Chew“.

Ich verstöre lieber die Menschen, als dass ich ihnen egal bin“, sagt Ankathie Koi, die wilde Fee des aktuellen österreichischen Pop. Dabei ist die 33-Jährige eine Zugereiste aus dem befreundeten Ausland. Ihr unbezähmbarer Hang zum Wilden ist wohl auch dem sittsamen Elternhaus geschuldet. Das stand im idyllischen Burghausen, jenem oberbayrischen Flecken, der seit 1970 ein international gerühmtes Jazzfestival ausrichtet.

Mit dem Jazz kam Kathie Winklbauer, wie sie mit Klarnamen heißt, früh in Berührung. Davor probierte sie sich als klassischer Sopran. Aber auch die Popmusik im Elternhaus prägte. Die Beatles, Sam Cooke, das Electric Light Orchestra und sogar die ziemlich uncoole Manfred Mann's Earth Band. Ihr Vater war Sicherheitsmeister in einem Chemiewerk.

„Das färbte aufs Privatleben ab“, erinnert sich Ankathie Koi. „Er hatte einen schweren Hang zum Übervorsichtigsein. Einmal hat er im ganzen Haus Rauchmelder aufgestellt. Wenn meine Mama Zucchini gebraten hat, haben die dann angeschlagen.“ Seine defensive Lebensart hat die Risikolust von Ankathie Koi entscheidend befeuert. Oft ist sie von zu Hause weggelaufen. Heute noch ist eine gewisse Tendenz zur Flucht wesentlicher Bestandteil ihrer Aura.

Dynamisches Album

Selbst erfolgreiche Konstellationen, wie Fijuka, ihr Duo mit Judith Filimónova, werden dann auf Eis gelegt. Derzeit gehört ihr ganzes Herz ihrem Soloprojekt Ankathie Koi. Am 21. April erscheint das erste, von Patrick Pulsinger produzierte Opus, „I Hate The Way You Chew“, ein dynamisch pumpendes Album, das durchaus Asssoziationen mit der Ästhetik der Achtzigerjahre weckt. Der Titel lässt auf ausgiebige Misophonie schließen.

„Ich leide tatsächlich unter einer Art selektiver Geräuscheintoleranz. Wenn jemand laut isst, dann bekomme ich eine Gänsehaut. Meine Schwester hat sehr geräuschvoll gekaut“, sagt sie. „Wegen ihr bin ich immer zu spät zur Schule gekommen, weil ich in ihrer Gegenwart nicht essen wollte. Meine Mama hat deshalb oft durchgedreht.“

Heute produziert sie die Geräusche zur Abwehr unliebsamer Sounds selbst auf vielen seltsamen Keyboards und Babysynthesizern. Entscheidende Hilfe im Studio war ihr Paddy von der Band Powernerd. Der Mann sieht nicht nur so aus wie ein Peitscherlbua, er spielt auch so. „Wir haben uns beide nicht davon abschrecken lassen, einen Sound zu machen, der nicht der Modernste ist. Sein Hang zum Exzessiven hat uns schnell verbunden“, lobt Ankathie Koi ihren unberechenbaren Mitstreiter.

Spürt sie in der Welt des Pop irgendwo Benachteiligung, weil sie weiblich ist? „Nein. Mein Vorbild sind unangepasste Frauen wie Donna Summer und Cyndi Lauper, die haben Pionierarbeit geleistet. Heute kann man als Frau im Grunde alles machen, was man mag. Und die Gagen sind auch dieselben. Das Einzige, was ein bisserl schmerzhaft ist, das ist die Tatsache, dass man leichter nach dem Äußeren beurteilt wird.“

Unkonventionelle Sinnlichkeit

Justament mischt Ankathie Koi nicht nur auf der Bühne das betont Weibliche mit dem wild Burschikosen. „Ich weiß, ich habe eine doofe Frisur, aber ich liebe sie.“ Unkonventionelle Sinnlichkeit ist ihr wichtig. „Das, was ich auf der Bühne trage, mag sexy wirken, aber für mich ist es eher wie Kampfkleidung. Ich muss mich stark fühlen mit dem, was ich auf dem Leib trage“, sagt sie. „Eine Prinzessin war ich noch nie, aber ich kann sagen, dass ich mich als Frau noch nie so wohl gefühlt habe wie jetzt. Paddy ist wohl viel mehr Prinzessin und Feministin als ich.“

Die gebürtige Deutsche ist längst eingemeindet im österreichischen Pop, der dieser Tage so schon über die Grenzen hinausstrahlt. Wie lässt sich das Besondere am heimischen Pop erklären? „Da ist diese grandiose Wurschtigkeit, die die schönsten Exzentritäten heraufbeschwört. Österreichischer Pop hat einfach viel mehr Unvorhersehbares. Deshalb fühle ich mich hier so wohl.“

ZUR PERSON

Multitalent.Ankathie Koi aus Burghausen in Oberbayern lebt seit 2003 in Österreich. Die 33-Jährige hat einen Abschluss als Jazzsängerin an der Linzer Musikuni bei Elfi Aichinger. Mit dem Jazz kam Kathie Winklbauer, wie sie mit Klarnamen heißt, früh in Berührung. Zuvor probierte sie sich als klassischer Sopran. Aber auch die Popmusik im Elternhaus prägte sie.

Im vergangenen Jahr kuratierte Ankathie Koi das Popfest Wien. Ihr Debütsoloalbum
„I Hate The Way You Chew“ erscheint am 21. April auf Seayou Records.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2017)

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