Der EU-Gipfel stellt die Weichen für einen schwachen Ratspräsidenten. Mit einem solchen vertäten die Länder eine einmalige Chance.
Wer ist Chef der USA? Barack Obama. Und wer ist Chef der EU? Am ehesten Kommissionschef José Barroso, der Fleißige, aber Farblose. Der Lissabon-Vertrag – so er kommt – böte eine tolle Alternative: Er schafft einen aufgewerteten Ratspräsidenten, der dem EU-Regierungschef für zweieinhalb Jahre vorsäße. Er würde skizzieren, wo und wie es in Europa langgehen solle. Eine solche Stärke und Kontinuität wären bei Finanzkrise und Klimawandel mehr als notwendig.
Und dann das: Beim EU-Gipfel in Brüssel gestern und heute liebäugelten die Regierungschefs wieder mit einem schwachen Präsidenten. Mit dem niederländischen Premier Jan Balkenende, einem braven Arbeiter. Warum also nicht? Weil er kaum Charisma hat, weil er als Benelux-Vertreter auch nicht das Gewicht hat, auf den Tisch zu hauen – er wäre ein „Barroso des Rates“. Genau das wollen die Länder: keinen starken Mann, denn der würde ihre nationalen Interessen vergällen. Alternativ zu Balkenende wird auch Exkanzler Wolfgang Schüssel gehandelt – ebenfalls einer, der konziliant aufträte. Anders wäre das bei Expremier Tony Blair, der aber wegen seiner Irak-Politik in Ungnade gefallen ist, oder bei Luxemburgs Jean-Claude Juncker.
Die Länder sollten bald auf starke Leute umschwenken. Denn für den ersten „EU-Präsidenten“ gibt es keine zweite Chance. Je stärker das Amt besetzt wird, desto weiter kommt die EU vorwärts. Zwar nicht jedes Land für sich – aber gemeinsam in der Welt, und das so stark wie nie. (Bericht: S. 4)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2009)