Breite Allianz verlangt Konsequenzen für Doppelstaatsbürger

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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SPÖ, ÖVP und FPÖ wollen Kontrollen. Bei Missbrauch soll die Staatsbürgerschaft aberkannt werden.

Wien. Das Problem ist nicht neu: Immer wieder wurde in Österreich über illegale Doppelstaatsbürgerschaften diskutiert. Also in erster Linie über Türken, die ihren Pass abgeben, um Österreicher werden zu können, hinterher aber wieder die türkische Staatsbürgerschaft annehmen. Und damit auch in der alten Heimat wahlberechtigt sind.

Der Wahlkampf, den die türkische Regierungspartei AKP gerade quer durch Europa führt, hat diese unerlaubte Praxis wieder in den innenpolitischen Fokus gerückt. Nach und nach fordern Regierungs- und Oppositionspolitiker nun Konsequenzen für Austrotürken mit Doppelpass: nämlich den Entzug der österreichischen Staatsbürgerschaft. Der Erste war der burgenländische Landeshauptmann, Hans Niessl (SPÖ), am Samstag in der „Presse“, der Zweite FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“. Später gesellte sich auch Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) dazu: Doppelstaatsbürgerschaften seien „natürlich untragbar“, sagte seine Sprecherin Katharina Nehammer.

Sobotka: Kontrollen sind Ländersache

Das Problem dabei ist, dass niemand weiß, wie viele Austrotürken tatsächlich beide Pässe haben. Schätzungen reichen von 12.000 bis 60.000, aber verifiziert ist das nicht, weil Ankara die Auskunft verweigert. Niessl verlangt deshalb umfangreiche Kontrollen. Repräsentative Gruppen sollten herausgenommen und überprüft werden. Strache wiederum kann sich an Wahltagen „Planquadrate“ vor türkischen Konsulaten vorstellen. Vorerst sollten jedenfalls keine Türken mehr eingebürgert werden.

Ungeklärt ist auch die Frage, wer diese Kontrollen durchführen soll. Das Innenministerium erinnert Niessl daran, dass sowohl die Überprüfung als auch die Aberkennung der Staatsbürgerschaft Ländersache sei. In Wien zum Beispiel sei die MA20 zuständig.

ÖVP-Generalsekretär Werner Amon bezeichnete hier Tirol als Vorbild. Dort habe man eine Taskforce eingesetzt, die konsequent gegen Missbrauch vorgehe und Staatsbürgerschaften rigoros aberkenne. Die Zahlen dazu blieb Amon vorerst schuldig. Er sieht vor allem Wien in der Verantwortung: Im besten Fall führten Niessls Aussagen dazu, dass nun auch die Wiener SPÖ zur Vernunft komme und etwas gegen türkische Doppelstaatsbürger unternehme.

AKP-Auftritte wurden untersagt

Uneins sind sich SPÖ und ÖVP auch in der Frage, wie Wahlkampfauftritte von AKP-Politikern in Österreich untersagt werden können. Am Wochenende brauchte es die Bundesregierung dazu allerdings nicht. In Herzogenburg gab es am Sonntag keine Genehmigung vom Bürgermeister für einen Auftritt des türkischen Abgeordneten Muhammet Müfit Aydin in der Gemeindehalle. In Wiener Neustadt stornierte das Hotel die Reservierung.

Am Samstag waren Kundgebungen in Linz und Hörbranz geplatzt. Deshalb mussten Aydin und Ex-Energieminister Taner Yıldız in das Bregenzer Büro des österreichischen AKP-Ablegers, der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), ausweichen. „Auch in Österreich werden unsere legalen Veranstaltungen grundlos abgesagt“, kritisierte die UETD auf Facebook, rief „die türkische Bevölkerung in Österreich“ dann aber zur Gelassenheit auf. „Unsere Antwort zu diesen Skandalen werden wir an der Wahlurne geben.“

Gemeint war das umstrittene Referendum am 16. April über eine Verfassungsreform in der Türkei, die Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan mit umfassenden Befugnissen ausstatten würde. Auslandstürken können in den diplomatischen Vertretungen von 57Staaten mitstimmen. In Österreich gibt es Wahllokale in Wien, Salzburg und Bregenz. Sie sind ab 27. März geöffnet. Die in Österreich lebenden Türken gelten als besonders treue Erdoğan-Anhänger.

AUF EINEN BLICK

Vertreter von SPÖ, ÖVP und FPÖ haben sich für strenge Kontrollen von Österreichern türkischer Herkunft ausgesprochen. Viele sollen illegalerweise auch die türkische Staatsbürgerschaft besitzen. Die Schätzungen reichen von 12.000 bis 60.000. Eine genaue Zahl konnte bislang aber nicht ermittelt werden, weil die Türkei keine Auskunft gibt. Anlass für diesen rot-schwarz-blauen Konsens ist der Wahlkampf der türkischen AKP in Europa.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2017)

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