Der Schlecker-Prozess geht in die nächste Runde. Bisher hat der Hauptangeklagte Anton Schlecker geschwiegen. Jetzt übernimmt er die unternehmerische Verantwortung für die Pleite seiner Drogeriemarktkette.
Anton Schlecker hat erstmals seit dem Zusammenbruch seines Drogerie-Imperiums 2012 sein Schweigen gebrochen. Er sei bis zum Schluss vom Erfolg der Drogeriemarktkette überzeugt gewesen, sagte der wegen betrügerischen Bankrotts angeklagte Schlecker am Montag vor dem Landgericht Stuttgart. "Dass dieses Unternehmen wirklich kaputt gehen könnte, war für mich völlig unvorstellbar." In seiner ersten öffentlichen Erklärung zu der spektakulären Firmenpleite bestritt Schlecker die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, er habe die Insolvenz hinausgezögert, um Geld beiseite zu schaffen. "Ich habe nie planmäßig oder spontan Vermögen vor dem Zugriff der Gläubiger entzogen", betonte er nach seiner knapp einstündigen Stellungnahme. Er habe niemals einem Gläubiger schaden wollen.
Der 72-Jährige ist wegen vorsätzlichen Bankrotts, Insolvenzverschleppung und falscher eidesstattlicher Versicherungen angeklagt. Auf betrügerischen Bankrott in einem schweren Fall, wie er Schlecker vorgeworfen wird, steht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
Die Insolvenz des einstigen Drogerie-Marktführers gehört zu den größten Pleiten in der deutschen Wirtschaft. Mehr als 23.000 Mitarbeiter, vor allem Frauen, verloren ihre Arbeit. Bedauern mit ihnen drückt Schlecker nur knapp aus: Er hätte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, seiner Familie und sich selbst die Insolvenz gerne erspart.
Die Drogeriekette soll demnach schon Ende 2010 mit fast einer Milliarde Euro Verbindlichkeiten überschuldet gewesen sein. Erst Anfang 2012 musste Schlecker Insolvenz beantragen. "Das war ein schwerer Gang", betonte er in seiner zumeist mit fester Stimme vorgetragenen Erklärung. Das frühere Erfolgsunternehmen schrieb schon 2006 rote Zahlen, weil die Filialen angesichts der schickeren und bald günstigeren Rivalen wie dm und Rossmann immer weniger Kunden anlockten. Allein 2011 verbuchte Schlecker 200 Millionen Euro Verlust. Nach eigener Darstellung passte das nicht in das Weltbild des Kaufmanns, der seit den 80er Jahren mit dem Verkauf von Kosmetik, Wasch- und Lebensmitteln ein Imperium mit zweitweise mehr als sieben Milliarden Euro Umsatz aufgebaut hatte. Es sei ihm vielleicht als verbohrt vorzuwerfen, sagte Schlecker. "Für mich gab es kein unternehmerisches Scheitern. Ich war sehr erfolgsverwöhnt."
Über die Logistikfirma LDG seiner Kinder Lars und Meike, die die Filialen belieferte, soll der Patriarch seiner Familie viele Millionen zugeschustert haben. Zu diesen Zahlungen sagte Schlecker nichts, stellte aber die Logistikfirma als Herzstück des Unternehmens dar und nicht als Finanzvehikel zur eigenen Bereicherung. Den damals im Unternehmen tätigen Kindern wird ebenso wie Schleckers Ehefrau Christa Beihilfe zu Bankrott und Untreue vorgeworfen. Mit auf der Anklagebank sitzen auch zwei Wirtschaftsprüfer von EY (Ernst & Young), weil sie falsche Bilanzen abgesegnet haben sollen.
"Papa, die lassen uns fallen"
Schlecker betonte, er habe auch in der schwierigen Zeit von 2010 und 2011 noch immer einen Ausweg gesehen, da die damalige Umstrukturierung mit Filialschließungen Früchte getragen habe. Für ihn nicht nachvollziehbar zogen der deutsch-schweizerische Einkaufsverbund Markant und die Kreditversicherung Euler-Hermes Anfang 2012 jedoch die Reißleine und gewährten Schlecker keinen Kredit mehr. Der verzweifelte Anruf seiner Tochter Meike habe ihn auf Filialtour in Münster und Osnabrück abends im Hotel erreicht: "Papa, die lassen uns fallen."
Ob Schenkungen an die Enkel, das Übernehmen von Baukosten für ein Wohnhaus der Tochter oder Reisekosten – nie habe er das Motiv gehabt, mit "sittlich anstößigem Interesse" Vermögen in Sicherheit zu bringen, beteuerte Schlecker. Der gelernte Metzgermeister stellte sich als bodenständig, stets im Interesse seiner Firma von früh bis spät hart arbeitenden Unternehmer und treu sorgenden Familienvater dar. Um seine eigene Bereicherung ging es nie: "Es gab keine großen Gewinnmitnahmen oder Investitionen in Luxusgüter. Wir haben keine teuren Sammlungen von Autos, keine Weingüter, Yachten oder Hotels."
Zu seinen Einkommensverhältnissen machten Schlecker ebenso wie seine Ehefrau Christa und die Kinder Meike und Lars keine Angaben. Als allein haftender Kaufmann musste er 2012 Offenbarungseid leisten. Doch konnte der dann eingesetzte Insolvenzverwalter für die Gläubiger rund zehn Millionen Euro bei der Familie Schlecker eintreiben.
(Ilona Wissenbach/Reuters)