Kulturpolitik

Plagiatsvorwürfe gegen den designierten Staatsoperdirektor Bogdan Roščić

PR�SENTATION DER STAATSOPERNDIREKTION 2020/21: ROSCIC
PR�SENTATION DER STAATSOPERNDIREKTION 2020/21: ROSCIC(c) APA (HERBERT NEUBAUER)
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Die 1988 von Bogdan Roščić, dem designierten Staatsoperndirektor, eingereichte Dissertation muss von der Uni Wien geprüft werden.

1988 promovierte Bogdan Roščić, geboren 1964 in Belgrad, Philosophiestudent an der Universität Wien – mit einer Arbeit über Theodor Adorno, was ihm damals einigen Respekt einbrachte. Heute dürfte die Arbeit ihm Sorgen bereiten. Der Medienwissenschaftler Stefan Weber, bekannt als „Plagiatsjäger“, hat sie geprüft und vor allem mit einer bereits 1982 veröffentlichten Dissertation verglichen.

Ergebnis: Sie soll in der Einleitung mehrere Seiten enthalten, die offenbar von dieser Vorgängerarbeit übernommen wurden; es handelt sich nicht um indirekte Zitierung, und, was besonders bedenklich scheint: Die Vorgängerarbeit ist im Literaturverzeichnis von Roščić' Dissertation gar nicht angeführt.

Umfeld: Marxistische Gruppe

Sie stammt von Peter Decker, einem Spitzenfunktionär der Marxistischen Gruppe (MG), mit der Roščić in seinen Studententagen sympathisiert haben soll. Decker war auch Herausgeber der vierteljährlich erscheinenden politischen Zeitschrift „GegenStandpunkt“, seine Dissertation trägt den Titel „Die Methodologie kritischer Sinnsuche. Systembildende Konzeptionen Adornos im Lichte der philosophischen Tradition“. Nun heißt es, dass es in MG-Kreisen üblich war, dass Arbeiten sozusagen im Kollektiv erstellt wurden, ein solches kollaboratives Arbeiten kommt aber diesfalls wohl nicht in Frage, dazu ist der zeitliche Abstand zu groß.

Kein Prüfauftrag einer Partei

Unbekannt ist, ob und von wem Weber einen Auftrag erhalten hat, die Dissertation zu prüfen, es war jedenfalls kein Auftrag aus der FPÖ – die sich ja kritisch zur Bestellung Roščić' zum Staatsoperndirektor geäußert hat – oder einer anderen Partei. „Ich würde keine Aufträge aus eindeutiger parteipolitischer Richtung annehmen“, versicherte Weber der „Presse“.

Nun wird die Arbeit von der Uni Wien offiziell geprüft werden, es könnte auch sein, dass Roščić selbst inzwischen eine Prüfung angestoßen hat, um Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Im Falle, dass Teile der Dissertation von der Uni als Plagiat erkannt werden, ist es möglich, dass Roščić der Doktortitel aberkannt wird. Dann wird es interessant, wie Kulturminister Thomas Drozda, der Roščić' Ende Dezember zum Staatsoperndirektor bestellt hat, darauf reagiert, sprich: ob die Bestellung rückgängig gemacht werden könnte. Aus seinem Büro heißt es bisher nur: „Der Minister wurde von den Plagiatsvorwürfen kürzlich informiert.“

„Ich kenne den Vorwurf“

„Ich kenne seit einigen Tagen den Vorwurf der fehlenden Zitierung einer Arbeit von Peter Decker in der Einleitung meiner Dissertation von 1988“, sagte Roščić gegenüber der Austria Presse Agentur. „Herrn Decker habe ich vor 35 Jahren persönlich kennengelernt, mit ihm zu verschiedenen geisteswissenschaftlichen Themen gearbeitet und von ihm das Entscheidende über die Kritische Theorie gelernt. Seine Schrift ist eine der besten Auseinandersetzungen mit Adorno überhaupt.“ Zum konkreten Vorwurf betonte Roscic: „Die Einzelheiten der nun monierten Verwendung kann ich, auch wegen der knapp 30 Jahre Abstand, derzeit nicht rekonstruieren. Ich bin mit der Universität Wien hierzu in Kontakt, sie wird meine Arbeit der entsprechenden Prüfung unterziehen.

Dass es eine Anzeigt gibt, bestätigte Julia Wippersberg, Vizestudienpräses der Uni Wien. Sie verwies ansonsten aber auf die Verschwiegenheitspflicht. Falls ein Verfahren eingeleitet wird, würde ein externer Gutachter bestellt, der idealerweise aus dem Ausland stammt und den Stand des wissenschaftlichen Arbeitens vor 30 Jahren berücksichtigen kann. Auf Basis dieses Gutachtens entscheidet der Studienpräses dann, ob der Titel aberkannt werden muss oder nicht - wobei auch diese Entscheidung der Verschwiegenheitspflicht unterliegt. Erfahrungsgemäß dauert es bis zu diesem Zeitpunkt allerdings Monate.

>> Stefan Webers Plagiatsanalyse von Roščić' Dissertation (PDF)

Zur Person

Bogdan Roščić wurde am 14. April 1964 in Belgrad geborenen, 1974 kam er nach Österreich. Er begann er als Journalist bei „Presse“ und „Kurier“, bevor er zum ORF wechselte, wo er 1996 zum Senderchef von Ö3 aufstieg und dieses im Zuge der Marktliberalisierung zum erfolgreichen Formatradio umgestaltete - was dem umtriebigen Jungmanager auch Kritik einbrachte.

2002 wechselte er mit Amtsantritt von Monika Lindner als ORF-Generaldirektorin in die Musikindustrie, wo er über Positionen bei Universal Music Austria, beim Renommierlabel Deutsche Grammophon und Decca schließlich 2009 zur Klassiksparte von Sony Music nach New York weiterzog.

Ab 1. September 2020 wird Bogdan Roščić Nachfolger von Dominique Meyer als Direktor der Wiener Staatsoper.

(Red. )

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