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Handel lehnt Kopftuchverbot ab: Vielfalt ist ein "Bedürfnis von Kunden"

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Der EU-Gerichtshof erlaubt Unternehmen künftig Arbeitnehmern das Tragen von religiösen Symbolen zu verbieten. Während Integrationsminister Kurz das befürwortet, sind die heimischen Arbeitgeber vorsichtig.

Luxemburg/Wien. Unternehmen können ihren Mitarbeitern künftig verbieten, religiöse Symbole wie das islamische Kopftuch während des Kontakts zu Kunden zu tragen. Arbeitgeber, die dies in internen Verhaltensregeln festschreiben, können Klagen wegen Diskriminierung oder wegen Kündigungen in diesem Zusammenhang nun gelassen entgegensehen. Das geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Dienstag hervor.

Während der für Integration zuständige Minister, Sebastian Kurz, die „richtungsweisende Entscheidung“ unterstützt, warnte die Leiterin der deutschen Antidiskriminierungsstelle, Christine Lüders, dass dieses Urteil bedeute, dass es „für muslimische Frauen, die ein Kopftuch tragen, in Zukunft noch schwerer werden könnte, in den Arbeitsmarkt zu kommen“.
In Österreich hat es bereits einzelne gerichtliche Streitfälle gegeben. Wie ein Rundruf der „Presse“ aber belegt, lehnen größere Handelsunternehmen ein solches Verbot ab: „Wir sind immer auf der Suche nach den besten Köpfen, egal, ob sie ein Kopftuch tragen“, sagt Rewe-Sprecher Paul Pöttschacher. Rewe habe Mitarbeiter aus 80 Nationen, in Österreich 41.000. Pluralismus sei da von vornherein gegeben. Hofer bekennt sich ebenfalls zur „gelebten Vielfalt“: Man habe „Frauen wie Männer, alte wie junge Menschen, genauso wie Personen verschiedener Sprachen, Religionen und Kulturen“ als Mitarbeiter. Unterschiedlichkeit sei sogar gefragt, um die Bedürfnisse der Kunden zu erfüllen. Ähnlich DM-Geschäftsführerin Petra Mathi-Kogelnik: „Auswahlkriterium ist für uns nicht die Religionszugehörigkeit, sondern die Frage, ob eine Bewerberin gut ins Team passt. Ein Kopftuch soll dabei kein Hindernis sein.“

Spar-Sprecherin Nicole Berkmann räumt ein, dass es in Einzelfällen Kundenbeschwerden gibt. „Dann erklären wir freundlich, dass das eine gute Mitarbeiterin ist und wir uns zur Pluralität bekennen.“ Eine Regel gebe es jedoch: Unternehmenskleidung zu tragen – zum Beispiel die Haube in der Feinkostabteilung. „Da erwarten wir dann, dass sich alle daran halten.“ Würde eine Mitarbeiterin dort auf dem Kopftuch bestehen, würde man für sie einen anderen Platz im Unternehmen suchen, sagt Berkmann.

Auch bei ISS Facility Services Österreich bekennt man sich zu „gelebter Diversität“: Man beschäftige 7500 Mitarbeiter aus über 90 Nationen, sehe sich als Vorzeigeunternehmen im Bereich Integration. „Das Tragen jeglicher sichtbarer religiöser Zeichen ist bei ISS nicht reglementiert, es sei denn, die Arbeitssicherheit unserer Mitarbeiter ist gefährdet“, sagt Kurt Babirath, Mitglied der Geschäftsleitung in Österreich. In diesen Fällen sei jedoch „die Sicherheit immer religiösen Aspekten übergeordnet“.

Kundenbeschwerden reichen nicht aus

Anlassfall der EuGH-Entscheidung war die Entlassung einer muslimischen Frau bei der Sicherheitsfirma G4S in Belgien. Sie hatte als Rezeptionistin gearbeitet und eines Tages ihrem Arbeitgeber mitgeteilt, dass sie künftig während der Arbeitszeit das islamische Kopftuch tragen werde. Der Arbeitgeber löste das Arbeitsverhältnis daraufhin auf und berief sich auf eine betriebsinterne Vereinbarung, wonach es Beschäftigten untersagt ist, sichtbare Zeichen ihrer politischen, philosophischen oder religiösen Überzeugung zu tragen. Die Frau klagte daraufhin auf Wiedereinstellung.
In der Urteilsbegründung wiesen die Richter des EuGH darauf hin, dass betriebsinterne Regeln zum Verbot religiöser Symbole nicht diskriminierend seien, wenn sie für alle Mitarbeiter unabhängig von ihrem Glauben gelten. In einem gleichzeitig behandelten Fall sprach der EuGH jedoch aus, dass eine Arbeitnehmerin nicht entlassen werden dürfe, nur weil sich ein Kunde über das Tragen eines Kopftuchs beschwert habe.

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