USA: Die Folgen von Trumpcare

From the Files - State of the Union
From the Files - State of the Union(c) REUTERS (KEVIN LAMARQUE)
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Der Präsident versprach, dass sich jeder Amerikaner krankenversichern werde können. Der von ihm unterstützte republikanische Plan jedoch würde die Zahl der Unversicherten verdoppeln.

Washington. Sieben Jahre lang, seit er allein mit den Stimmen der Demokraten im Kongress beschlossen wurde, hatten die Republikaner den Affordable Care Act im Fadenkreuz. Dutzende ihrer Gesetzesvorlagen, mit denen das als Obamacare in den Volksmund übergegangene Herzstück der Präsidentschaft von Barack Obama abgeschafft worden wäre, scheiterten zunächst an der demokratischen Mehrheit im Senat und nach deren Verlust bei den Kongresswahlen des Jahres 2014 am Veto des Präsidenten.

Seit Jahresbeginn kontrollieren die Republikaner beide Kammern des Kongresses, und im Oval Office amtiert ihr Kandidat Donald Trump als neuer Präsident. Sie haben somit die Chance, nicht bloß gegen Obamacare zu sein, sondern einen konstruktiven eigenen Reformvorschlag für die Gesundheitsversorgung der Amerikaner vorzulegen. Ihr Gesetzesentwurf unter dem Titel American Health Care Act (AHCA) liegt seit Ende voriger Woche vor. Doch ihm fehlten die Antworten auf die zwei wesentlichsten Fragen: Was würde die Abschaffung von Obamacare und die Einführung des AHCA kosten? Und wie viele Menschen wären künftig nicht mehr krankenversichert? Am Montag legte das parteiunabhängige Budgetbüro des Kongresses (CBO) seine Schätzung vor. Sie lässt fundamentale Zweifel am Wahlversprechen Trumps zu, jedermann werde unter ihm „wunderschön versichert werden.“

24 Millionen mehr ohne Schutz

Denn das CBO befindet: Wenn die Reform der Republikaner wie geplant im heurigen Mai in Kraft tritt, werde die Zahl der Amerikaner ohne Krankenversicherung binnen eines Jahres um 14 Millionen steigen. Bis zum Jahr 2026 wären um 24 Millionen Menschen mehr ohne Versicherungsschutz, als wenn Obamacare in Kraft bliebe.

Für diese Entwicklung gebe es zwei Hauptgründe. Erstens fällt im Plan der Republikaner die Versicherungspflicht weg, mittels derer Obamacare derzeit jüngere und gesündere Menschen dazu drängt, einen Krankenversicherung abzuschließen. Rund 90 Prozent der Amerikaner sind über ihre Arbeitgeber oder die staatlichen Programme für Alte (Medicare) und Arme (Medicaid) versichert und insofern nur am Rande von Obamacare betroffen. Der Rest verzichtet oft aus eigener Entscheidung darauf, eine Polizze zu kaufen.

Obamacare versucht, sie mittels einer Strafe von 2,5 Prozent des Jahreseinkommens vom Gegenteil zu überzeugen. Deren Grenzwert von derzeit 2085 Dollar (1952 Euro) ist allerdings zu niedrig, um diesen Zweck umfassend zu erfüllen; es ist für viele Amerikaner billiger, die Pönale zu zahlen, sich nicht zu versichern und darauf zu spekulieren, dass sie gesund bleiben.

Der wesentlichere zweite Grund für den Anstieg der Menschen ohne Versicherungsschutz unter dem neuen Plan, der bereits Trumpcare genannt wird, liegt in der Abschaffung der Steuersubventionen (über Gutschriften) und der durch Obamacare ausgeweiteten Mittel für das erwähnte Armenprogramm Medicaid. Viele ältere und kränkere Menschen können sich im Modell der Republikaner keine Versicherung mehr leisten.

Das CBO veranschaulicht das am fiktiven Beispiel eines 64-Jährigen, der ein Jahreseinkommen von 26.500 Dollar hat Seine standardisierte Polizze kostet derzeit 15.300 Dollar pro Jahr – doch dank der Obamacare-Subvention muss er nur 1700 Dollar bezahlen. Unter dem AHCA/Trumpcare dürften die Versicherungskonzerne älteren Menschen höhere Prämien verrechnen (hier 19.500 Dollar), und die Steuerbegünstigung sänke im konkreten Fall von 13.600 Dollar auf 4900 Dollar. Der 64-jährige Geringverdiener müsste somit laut CBO-Berechnung 14.600 Dollar selber bezahlen: das wären 55 Prozent seines Einkommens.

Widerstand auch von rechts

Abseits des Widerstands der demokratischen Minderheit im Kongress regt sich auch am rechten Rand der eigenen Partei Gegnerschaft zum AHCA. „Diese Vorlage schafft Obamacare nicht ab“, zürnte der Kongressabgeordnete Jim Jordan am Dienstag auf Fox News. Jordan gehört zum Freedom Caucus, einer sehr konservativen Gruppe im Kongress. Ohne ihre Stimmen haben die Republikaner keine Mehrheit. Im Senat haben Rand Paul und Tom Cotton erklärt, den AHCA in dieser Form abzulehnen. Damit stünde es im Senat 50 zu 50 – und es gibt weitere unzufriedene republikanische Senatoren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2017)

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