Roščić, Adorno und das kopierte Ich

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Der designierte Staatsoperndirektor hat offenbar nur in der Einleitung seiner Dissertation abgeschrieben, dort aber wortgetreu. Die Uni wird den Fall prüfen.

Selten erregt eine Philosophie-Dissertation aus den Achtzigerjahren fast 30 Jahre später so viel Aufmerksamkeit wie jene von Bogdan Roščić, dem designierten Staatsoperndirektor. Das Interesse an der Arbeit über Theodor Adorno gilt freilich weniger dem Inhalt als der Form: Eine erste Prüfung durch den als „Plagiatsjäger“ bekannten Medienwissenschaftler Stefan Weber hat ergeben, dass Roščić offenbar circa fünf Seiten praktisch wörtlich aus der Dissertation des Deutschen Peter Decker aus dem Jahr 1982 übernommen hat. Und zwar nur in der Einleitung, dort aber konsequent: Decker schrieb in der Ich-Form, Roščić hat auch das kopiert, genauso wie alle acht Zitate auf diesen Seiten.

Ein seltsamer Fall. Roščić ist ein sehr guter Schreiber – als solchen lernten ihn etwa Leser der „Presse“ von 1989 bis 1991 kennen –, man kann sich nicht vorstellen, dass er aus der Not, nicht selbst formulieren zu können, gehandelt hat. Er hat sich auch nicht im mindesten bemüht, die Übernahmen zu vertuschen. Die weitere Dissertation scheint plagiatfrei, sie mündet in einer fast elegischen Conclusio: Mit seiner Trauer um das Individuum – das man, salopp nacherzählt, gar nicht mehr unterdrücken müsse, weil es sich (Über-Ich!) schon selbst unterdrückt – reihe sich Adorno „in die Tradition großer Staatsidealisten wie Hegel und Kant“.

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