E-Mobilität: Was Hänschen nicht lernt

Keine Elektroautos für Fahranfänger: Die dieselnagelnde Geräuschkulisse bleibt den Fahrschulen noch länger erhalten.
Keine Elektroautos für Fahranfänger: Die dieselnagelnde Geräuschkulisse bleibt den Fahrschulen noch länger erhalten.(c) FABRY Clemens
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Warum die Elektromobilität in Fahrschulen nicht vom Fleck kommt – und warum sich daran so bald auch nichts ändern wird. Dabei wären die Bedingungen eigentlich ideal.

Wien/Brüssel. Sie fahren Kurzstrecken mit niedrigem Tempo und kehren alle zwei, drei Stunden an ihren Ausgangspunkt zurück: Dass in Fahrschulen geradezu Bilderbuch-Einsatzbedingungen für Elektroautos vorherrschen, steht außer Frage. Die aktuelle Akkugeneration mit 300 bis 400 km Normreichweite deckt den Tagesbedarf ab, im Winter wird man sich auch in der Mittagspause anstöpseln – schon allein, um den Wagen warm zu halten.

Vorausschauendes Fahren

Neben den geringeren Betriebskosten sprechen auch signifikante Vorteile im Ausbildungsbetrieb für den Umstieg auf Strom als Energieträger: Durch die automatische Kraftübertragung können sich Lenkradnovizen nach einem kurzen Kennenlernen der Bedienungseinrichtungen im Schonraum eines Übungsplatzes deutlich früher auf die Herausforderungen des Straßenverkehrs konzentrieren. Energierückgewinnung durch Rekuperation erfordert vorausschauendes Fahren, nachweislich gleichzeitig eine der besten Ideen, das eigene Gefährt kollisionsfrei durch das Gewühl zu pilotieren.

Warum dennoch in Stadt und Land mit dieselnagelnder Geräuschkulisse ausgebildet wird, ist leicht erklärt: Das Drehmoment des Selbstzünders verzeiht nervöse linke Füße eher als ein Benziner – und die vom Fahrer zu tretende Kupplung ist bei der Fahrprüfung auch im 21. Jahrhundert ein wichtiges Kriterium.

Wer in jenen Ländern, die wir mit „Europa“ meinen, mit automatischer Kraftübertragung zur Fahrprüfung antritt, erhält nur einen eingeschränkten Führerschein.

Erfolg der Campinglobby

Die Eintragung des Codes 78 sorgt dafür, dass ohne neuerliche Prüfung mit händischem Rührwerk lediglich Automatikfahrzeuge durch den gemeinsamen Wirtschaftsraum gelenkt werden dürfen.

Während die Campinglobby bei der jüngsten EU-Führerschein-Richtlinie (seit 2013 in Kraft) durchsetzen konnte, dass das zulässige Gesamtgewicht eines Klasse-B-Gespannes nach einer kurzen, prüfungsfreien Ausbildung (Stichwort „Code 96“) von 3500 kg auf 4250 kg angehoben wird, ist eine ähnliche Aufschulung zum Umstieg von Automatik auf Schaltgetriebe in absehbarer Zeit nicht angedacht. Klimakonferenz hin, Dekarbonisierung des Verkehrs her: Brüssel tut in Verkennung der wahren Unfallursachen – Ablenkung, Unachtsamkeit, überhöhte Geschwindigkeit und Vorrangverletzungen – beharrlich so, als ob das Schieben von Zahnrädern durch eine ölige Schachtel nicht nur die wichtigste Kernkompetenz des Fahrers, sondern auch der Schlüssel zur Vision Zero – null Verkehrstote im Jahr 2050 – wäre.

Eine von Klima:aktiv begleitete Pilotstudie der heimischen Fahrschulen (www.pilot-emobility.at) ergab einen bescheidenen Zusatzaufwand für Fahrschüler, die mit Elektrofahrzeugen ausgebildet und anschließend (freilich nicht ohne Frust ob der ungeschmeidigen, veralteten Technologie) auf Schaltgetriebe umgepolt wurden. Zugegeben: Ein paar Fahrschulen leisten sich schon jetzt ein Elektroauto – und sei es nur, um der im Büro mitarbeitenden Gattin einen sachbezugsfreien Dienstwagen zu gönnen.

Ohne generelle Prüfungsfreigabe wird der Stromer aber nicht über ein Nischendasein hinauskommen. Für eine entsprechende Änderung der Führerscheinrichtlinie sollte man sich nicht zuletzt von Renault und VW Unterstützung erwarten können – aus heutiger Sicht sind Zoe und Golf die für Ausbildungszwecke am besten geeigneten Elektrofahrzeuge auf dem Markt.

Der spacige BMW i3 scheidet hierzulande hingegen a priori aus – ein Prüfungsauto muss in Österreich Türen in der hinteren Sitzreihe aufweisen, die der Prüfer unabhängig von den vorderen Türen öffnen kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2017)

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