Klappmäuler, Marionetten und digitale Puppenwelten

Studierende der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch beim Vorspielen einer Szene mit einer Großpuppe.
Studierende der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch beim Vorspielen einer Szene mit einer Großpuppe.(c) Franziska Hauser
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Dass man Puppenspiel studieren kann, ist hierzulande kaum bekannt. Anderswo hat diese künstlerische Sparte mehr Tradition.

Mit Puppenspieler assoziieren viele in erster Linie das Kasperltheater der Kindheit. Und doch ist das Puppenspiel oder Figurentheater, wie es mit einem breiteren Begriff genannt wird, eine eigenständige Kunstform und Figurenspieler meist weniger schrullig als Craig Schwartz, der sich im Film „Being John Malkovich“ im Kopf des berühmten Schauspielers einnistet.

„Figurenspieler könnten genauso rampenverliebt sein wie Schauspieler“, sagt Stephanie Rinke, Leiterin des dreijährigen Bachelorstudiums Figurentheater an der Staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst Stuttgart. „Allerdings suchen sie ihr Ausdrucksmittel nicht im eigenen Körper, sondern über ein Medium. Darum spricht man auch vom ,Theater der Dinge‘.“

Die Lust, auf der Bühne zu stehen, und das spielerische Talent setzt man bei Puppenspielern voraus, die die traditionsreichste Ausbildung im deutschsprachigen Raum absolvieren wollen, das vierjährige Diplomstudium an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Bei der Aufnahmeprüfung müssen die Bewerber eine Szene mit Puppen oder eine kurze Improvisation umsetzen. Die Kreativität der Einfälle sei immer wieder verblüffend, sagt Studiengangsleiter Markus Joss.

Auch Joss findet den Ausdruck „Theater der Dinge“ am passendsten. Dass das Berliner Studium Zeitgenössische Puppenspielkunst heißt, hat wohl auch historische Gründe. Gerade in der früheren DDR war Puppenspiel eine etablierte Kunstform. Auch heute gibt es in diesem Teil Deutschlands noch Puppentheater mit festen Ensembles, etwa in Halle, Dresden oder Magdeburg.

An den genannten deutschen Hochschulen erwartet die Studierenden, die das Aufnahmeverfahren bestanden haben, eine geradezu familiäre Atmosphäre: In Berlin werden zehn Studierende pro Jahrgang aufgenommen, in Stuttgart sieben. An beiden Hochschulen werden sie bereits während der Studienzeit in Theaterproduktionen und Aufführungen eingebunden. Gemeinsam ist den Ausbildungen auch, dass die Studenten den Umgang mit Puppen jeder Art erlernen, von Handpuppen, Klappmaulpuppen, Fadenmarionetten oder Masken bis zu Großpuppen und inzwischen auch zu Puppen, die in Verbindung mit digitalen Medien stehen und etwa für Installationen oder Performances genutzt werden. Ein grundlegender Unterschied zwischen beiden Studien sei, dass man sich in Berlin sehr am dramatischen Text orientiert, in Stuttgart an der bildnerischen Gestaltung, sagt Rinke. „Unser Studium ist deutlich visueller geprägt. Wir haben dadurch viele internationale Studierende, derzeit etwa aus Frankreich oder Israel.“

Rüstzeug für das Berufsleben

Man lege viel Wert auf das handwerkliche Rüstzeug, aber auch auf Konzeption oder Kalkulation sowie andere Fächer, die den Berufseinstieg leichter machten. „Das Künstlerische soll nicht zu kurz kommen, aber wir müssen unseren Absolventen schon ein Paket mitgeben, mit dem sie in der freien Szene überleben können.“

An der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch kann man seit viereinhalb Jahrzehnten Puppenspiel studieren. Die Hochschule wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Max Reinhardt als Schauspielschule des Deutschen Theaters zu Berlin gegründet. Das Diplomstudium Zeitgenössische Puppenspielkunst knüpft an diese Tradition an. „Wir kommen ganz klar aus dieser Sprechtradition“, sagt Markus Joss. In den ersten beiden Jahren gehe es zwar in den Hauptfächern um den Umgang mit den verschiedenen Puppenarten. Jedoch zählten auch Sprechen, Musik, Gesang, Körperstimmtraining, Steppen, Akrobatik oder Fechten zum Grundlagenunterricht; außerdem Theoriefächer wie Theatergeschichte, Dramaturgie, Kunstgeschichte und Ästhetik.

Ab Herbst 2018 soll in Berlin das Masterstudium Spiel und Objekt angeboten werden, durch das Figurenspielabsolventen und andere Studierende einen Schwerpunkt in der Arbeit mit digitalen Medien setzen können. An der Staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Stuttgart ist daran gedacht, ab 2018 einen Masterstudiengang für Performance einzurichten, der auch Figurenspielern offenstehen soll.

Basisausbildung in Wels

Die beiden Studien in Berlin und Stuttgart sind die einzigen Hochschulausbildungen für Figurenspiel im deutschsprachigen Raum. In Österreich werden einzelne Kurse und Workshops angeboten, jedoch kein eigenes Studium. Ähnlich verhält es sich in der Schweiz. Hierzulande ist das umfassendste Programm die Basisausbildung Figurentheater in Wels, die 15 praxisorientierte Workshopmodule umfasst. Zielgruppe sind alle Interessierten mit oder ohne Vorkenntnisse. „Es ist die einzige Ausbildung in Österreich, in der man die ganze Bandbreite des Figurentheaters kennenlernt“, sagt Gerti Tröbinger, Obfrau des Vereins zur Förderung des Figurentheaters Imago-Szene Wels, die auch das alljährlich im März stattfindende Internationale Figurentheaterfestival der Stadt Wels leitet. Sie selbst sowie auch ihre Kollegin in der Festivalleitung seien Beispiele für Absolventinnen der Basisausbildung, die sich danach noch „ihren Meister gesucht“ und sich zu professionellen Spielerinnen weiterentwickelt hätten, sagt Tröbinger. Die nächste Basisausbildung Figurentheater, die zwei Jahre dauert, startet im Herbst 2018.

(Print-Ausgabe, 18.03.2017)

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