Leitartikel

Trump, Merkel und ihre ökonomischen Kollateralschäden

Angela Merkel, Donald Trump
Angela Merkel, Donald TrumpAPA/AFP/SAUL LOEB
  • Drucken

Die wirtschaftspolitischen Verwerfungen zwischen Deutschland und den USA ließen sich mit Vernunft leicht lösen. Stattdessen droht ein Handelskrieg.

Angela Merkels erstes Treffen mit Donald Trump Freitagabend war wirtschaftspolitisch wohl mehr als eine gewöhnliche Staatsvisite: Da prallen zwei völlig konträre Wirtschaftsideologien und Wirtschaftsphilosophien aufeinander: Freihandel versus Protektionismus, Old- gegen New Economy, Produktion versus Dienstleistung.

Nachdem sich da die Regierungschefs der beiden mächtigsten westlichen Industrienationen zum Rendezvous getroffen haben, hängt für die Weltwirtschaft ziemlich viel davon ab, ob Trump und Merkel auf Dauer zu einer tragfähigen Gesprächsbasis finden. Es geht um nichts weniger als um die Frage, ob die Weltwirtschaft in einem drohenden Handelskrieg der USA namentlich gegen Deutschland, China und Mexiko schweren Schaden nimmt. Oder ob der global gesehen sehr erfolgreiche Weg des Freihandels (der als Nebeneffekt beispielsweise das größte Armutsbekämpfungsprogramm der Weltgeschichte ausgelöst hat) weitergehen kann.

Oberflächlich gesehen stehen einander zwei durchaus ebenbürtige Gegner gegenüber: Deutschland drückt mit seiner technologisch überlegenen Maschinen- und Autoindustrie (also klassischen Old Economy) den Rest der Welt an die Wand und erzielt damit schwindelerregende Exportüberschüsse. Die USA dominieren mit Microsoft, Apple, Google und Co. wiederum den digitalen Weltmarkt auf ähnliche Weise. Dass Deutschland wertmäßig trotzdem drei Mal so viel in die USA exportiert, wie es von dort bezieht, ist vielleicht ein kleiner Hinweis darauf, dass die digitale Wertschöpfung mit der in traditionellen Produktionsbranchen noch lang nicht mithalten kann.

Arbeitsplatzmäßig schon gar nicht. Weshalb der Versuch Trumps, die USA zu reindustrialisieren, durchaus verständlich ist. Daran ist freilich schon Trumps Vorgänger, Barack Obama, gescheitert, denn der technologische Rückstand, den die links liegen gelassene traditionelle Produktion in den USA unterdessen aufweist, ist nicht so leicht aufzuholen. Dass der größte Exporteur von in den USA erzeugten Autos unterdessen BMW heißt, ist ein krasser Hinweis auf diese Schwäche.

Diese lässt sich allerdings mit Importzöllen für deutsche Maschinen auch nicht beseitigen. Sie kommen dann eben entweder aus China oder Südkorea, oder sie werden schlicht teurer. Beides hilft den arbeitsplatzgeplagten Globalisierungsverlierern im Rust Belt, die Trump zum Wahlsieg verholfen haben, herzlich wenig.


Andererseits sind freilich auch die deutschen Exportweltmeister in einer unbequemen Situation. Sie zahlen sich ihre Exporterfolge nicht nur in Europa, wo unter anderem aus diesem Grund die deutschen Target-2-Forderungen explodieren, nämlich schon in hohem Ausmaß selbst. Der deutsche Wirtschaftsforscher Hans-Werner Sinn hat das plastisch einmal so formuliert: „Deutschland hat Porsches geliefert und dafür Lehman-Zertifikate bekommen.“

Unter Freunden könnte das durchaus in einer Win-win-Situation münden: Wenn etwa deutsche Unternehmen für den amerikanischen Markt verstärkt in den USA produzieren (was viele von ihnen ohnehin schon tun oder vorhaben), dann könnte das sowohl die industrielle Schwäche der USA als auch die Probleme der Deutschen mit ihrem kontraproduktiv werdenden Weltrekordexportüberschuss mildern.

Leider geht es in der Wirtschaftspolitik aber nicht um Freundschaft, sondern um Marktdominanz, die Verteidigung von politischen Machtpositionen und wohl auch um Populismus für die Galerie. Trump beispielsweise würde seinen Wählern einen Schwenk von „America first“ zu „Machen wir gemeinsam vernünftige Politik“ wohl nur schwer verkaufen können.

Wir steuern also wohl auf einen unschönen wirtschaftlichen Machtkampf der unterindustrialisierten USA mit ihren wichtigsten Lieferanten von Industriegütern zu. Ein Kampf, bei dem alle verlieren werden. Hoffen wir, dass offene Gesprächskanäle zwischen den wichtigsten Akteuren wenigstens die größten Kollateralschäden verhindern.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.