Die Erzählungen des unheiligen Martin

Vom Rathaus in Würselen über das EU-Parlament in Straßburg nach Berlin: Martin Schulz wird heute zum SPD-Kanzlerkandidaten gewählt.
Vom Rathaus in Würselen über das EU-Parlament in Straßburg nach Berlin: Martin Schulz wird heute zum SPD-Kanzlerkandidaten gewählt.(c) REUTERS (Fabrizio Bensch)
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Eine euphorisierte SPD wählt heute Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten. Der gelernte Buchhändler schöpft auch Kraft aus den Brüchen in seiner Biografie, aus der Zeit, als er ganz unten war. Angela Merkel ist ein starker Gegner erwachsen.

Alles beginnt mit einem geheimen Treffen am 21. Jänner im kleinen Ort Montabaur. SPD-Chef Sigmar Gabriel eröffnet dort Martin Schulz, dass dieser nun Kanzlerkandidat werde. Was danach geschieht, hat so niemand geahnt. Die SPD berauscht sich an Schulz und an sich selbst. 10.000 neue Mitglieder strömen in die Partei. Die Umfragewerte heben ab, mal ist man vor Angela Merkels Union, dann zuletzt auf Augenhöhe, bei 31 Prozent. Das ist ziemlich viel für eine SPD, die im Jänner noch bei 20 Prozent lag und „knapp vor der Totenstarre war“, wie ein CDU-Parteimitglied witzelt. Das Lachen ist manchem in der Union vergangen. Der „Schulz-Effekt“ dauert schon länger, als viele erwartet hatten. Und am heutigen Sonntag wird er nicht enden, wenn Schulz vor 3000 Gästen zum Kanzlerkandidaten gekrönt wird: Schulz ist ein begnadeter Redner, wie ihm auch Gegner zubilligen.

In seinen Ansprachen strickt der 61-Jährige dabei an einer großen Erzählung. Sie handelt vom „Sohn einfacher Leute“, die Mutter Hausfrau, der Vater Polizist, der schon mal ganz unten war, ohne Lebensmut, und sich nach oben kämpft. Der sozialdemokratische Traum sozusagen. Dass Schulz 22 Jahre Teil des EU-Establishments war, zuletzt als Parlamentspräsident, ist kein bestimmender Teil dieser Geschichte. Stattdessen kreist sie bürgernah um Würselen, der 39.000-Einwohner-Stadt, in der Schulz lebt und deren Namen die Bewohner in ihrem rheinischen Dialekt Würseln aussprechen. Wer sich Schulz annähern will, muss dort beginnen.

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