Deutschland: Keine Wahlkampf-Auftritte türkischer Politiker mehr

Archivbild einer Veranstaltung zum Verfassungsreferendum im deutschen Oberhausen.
Archivbild einer Veranstaltung zum Verfassungsreferendum im deutschen Oberhausen.(c) APA/AFP/SASCHA SCHUERMANN (SASCHA SCHUERMANN)
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Die AKP kündigt an, keine weiteren Politikerauftritte in Deutschland bis zum Verfassungsreferendum zu planen. Von anderen EU-Ländern ist nicht die Rede.

Vor dem Verfassungsreferendum in der Türkei am 16. April soll es keine weiteren Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsvertreter in Deutschland geben. Das bestätigte eine Sprecherin der Koordinierungsstelle der türkischen Regierungspartei AKP im Ausland am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP.

Die Entscheidung sei in Ankara getroffen worden, sagte die Sprecherin der in Köln ansässigen Koordinierungsstelle. "Alle zukünftigen Veranstaltungen, die geplant waren, sind abgesagt", sagte die Sprecherin. Weitere Auftritte von Ministern seien nicht geplant gewesen, aber Informationsveranstaltungen von AKP-Abgeordneten. Auch diese fänden nicht statt. Ein Auftritt von Präsident Recep Tayyip Erdogan sei nicht geplant gewesen.

Zuvor hatte bereits der Vorsitzende der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), Zafer Sirakaya, in der "Wirtschaftswoche" weitere Auftritte türkischer Regierungsmitglieder ausgeschlossen. "Wir werden bis zum Referendum keine weiteren Veranstaltungen mit türkischen Regierungsvertretern organisieren", so UETD-Präsident Zafer Sirakaya. Man werde weiter auf lokaler Ebene Informationsveranstaltungen organisieren. Gastauftritte türkischer Politiker werde es aber nicht mehr geben.

Der 2004 gegründete Verein UETD gilt als verlängerter Arm der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan in Deutschland. Nach eigenem Verständnis ist die UETD ein politischer und sozialer Lobbyverband für die Belange der hier lebenden Türken. In Deutschland trat die UETD zuletzt vor allem durch die Organisation umstrittener Veranstaltungen mit türkischen Ministern in Erscheinung.

Die Türkei hat Deutschland und den Niederlanden wegen verbotener Wahlkampfauftritte türkischer Politiker wiederholt Nazi-Methoden vorgeworfen. Erst am Montag forderte Kanzlerin Angela Merkel erneut, dies müsse aufhören.

Erdogan und die Nazi-Vorwürfe

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat eine Neuausrichtung der Beziehungen zur EU angekündigt. Die EU sei "faschistisch" und "grausam" und die Lage in Europa erinnere ihn an die Situation vor dem Zweiten Weltkrieg, sagte Erdogan am Dienstag.

Vize-Regierungschef Numan Kurtulmus versuchte, die Nazi-Vergleiche in eine positiveres Licht zu rücken. Türkische Politiker seien in Sorge um ihre "europäischen Freunde". Er hoffe, dass diese sich an ihre blutige Vergangenheit erinnerten und nicht in die Falle des Nationalsozialismus tappten, sagte Kurtulmus am Montag vor Journalisten.

Nach Einschätzung der türkischstämmigen CDU-Bundestagsabgeordneten Cemile Giousouf kommen die Nazi-Vorwürfe aus der türkischen AKP bei vielen Migranten nicht gut an. "Seine bodenlosen Anschuldigungen" beeindruckten die in Deutschland lebenden Türkeistämmigen nicht, sagte die Integrationsbeauftragte der CDU/CSU-Fraktion.

"Im Gegenteil, viele finden die unverschämten Anfeindungen nur noch peinlich. Sie schaden dem Image der Deutsch-Türken und unserem Zusammenleben", fügte Giousouf am Montag in Berlin hinzu. "Wenn Erdogan noch einen Rest Anstand hat, entschuldigt er sich bei unserer Kanzlerin", sagte die erste muslimische Bundestagsabgeordnete der deutschen Christdemokraten an die Adresse des türkischen Präsidenten.

Erdogan hatte Merkel am Wochenende persönlich "Nazi-Methoden" vorgeworfen. Zuvor hatte es wegen Wahlkampfauftritten von Ministern der türkischen Regierungspartei AKP in Deutschland Spannungen gegeben. In der Türkei stimmen die Wähler am 16. April über eine Verfassungsreform ab, die Erdogans Machtbefugnisse erweitern würde.

(APA/AFP/dpa)

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