„Fahrzeuge sind wie Messer“

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BRITAIN-PARLIAMENT-POLICE-SECURITYAPA/AFP/Handout/JAMES WEST
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Immer öfter werden Fahrzeuge zur Waffe. Nicht nur in Europa. Der IS gibt dazu detaillierte Anleitungen.

Bilder zeigen ein zerbeultes Auto vor dem Absperrzaun des Parlaments in London. Es ist ein Hyundai-Geländewagen, der an diesem Nachmittag zur Waffe wurde. Sein Lenker hatte das Fahrzeug zuvor auf der nahen Westminster Bridge im Herzen Londons absichtsvoll in Fußgänger, darunter eine Gruppe französischer Schüler, gesteuert. Noch gibt es zwar keine Gewissheiten über das Motiv des Täters. Der Angriff fügt sich aber in die Strategie des IS, Pkw und Lkw in Werkzeuge des Terrors zu verwandeln. Mehr noch: Der IS gibt immer wieder detaillierte Anleitungen heraus, wie solche Angriffe erfolgen sollen. In der Novemberausgabe des Hochglanz-Propaganda-Magazins Rumiyah etwa breiten die Fanatiker über mehrere Seiten die „gerechte Terrortaktik“ aus: „Fahrzeuge sind wie Messer“, schreiben sie zu Beginn, „weil sie extrem einfach zu besorgen sind“.

Ein solcher Angriff zähle zu den „erfolgreichsten Methoden“, um eine „große Zahl an Ungläubigen zu töten“. Es ist ein perfides Dokument. Zu den empfohlenen Anschlagszielen zählen stark frequentierte Gehwege, Versammlungen, bebildert sind die Seiten auch mit einem Erntedankfest in den USA. Zusätzlich eine Pistole oder ein Messer mitzuführen, sei eine „großartige Methode, um die Zahl der Opfer noch zu erhöhen“, schreiben die Autoren. Der Attentäter in London hatte nach der Todesfahrt einen Polizisten erstochen. Die Autoren buchstabieren sogar Vorschläge für Bekennerschreiben aus: „Der Islamische Staat wird weiter bestehen“, zum Beispiel. Oder: „Ich bin ein Soldat des Kalifats.“ Anders als in London geschehen, raten sie aber zu Angriffen mit Lkw, nicht Pkw.

Erinnerungen an Nizza

Es gibt noch andere Aufrufe zu Anschlägen mit Fahrzeugen. Abu Mohamed al-Adnani hatte viele Funktionen: Er war der Propagandasprecher des IS und leitete zugleich die „Externen Operationen“, also er orchestrierte Anschläge im Ausland. Im Vorjahr wurde er getötet. Aber seine Botschaften geistern noch immer durchs Internet. Wer keine Waffe habe, erklärte Adnani einmal, solle sich anders helfen, seine Opfer erschlagen – oder eben „mit einem Auto überfahren“. So kam es dann auch in Nizza, „einer großartigen Demonstration“ von Lkw-Anschlägen, wie die Autoren des Rumiyah-Magazins in beispiellosem Zynismus schreiben.

Am 14. Juli 2016, dem französischen Nationalfeiertag, hatte der Tunesier Mohamed Lahouaiej-Bouhlel einen 19 Tonnen schweren Lkw auf die Promenade gesteuert – und dann beschleunigt. Minutenlang rammt und überrollt er Passanten. 86 Menschen sterben. Es dauert nicht lange, bis der nächste Terrorangriff die Erinnerungen an Nizza wieder weckt: Am 19. Dezember fährt in Berlin Anis Amri gegen 20 Uhr in eine Menschenmenge auf einem Weihnachtsmarkt. Es gibt zwölf Tote. Schon im Oktober 2014 hatte in Quebec, Kanada, ein Jihadist zwei Sicherheitskräfte überfahren. Einer starb.

Auch im Nahost-Konflikt werden Fahrzeuge zusehends als Waffen eingesetzt. Israel versucht sich zwar mit Betonblöcken und Metallabsperrungen zu schützen. Doch erst im Jänner rammte ein Palästinenser mit seinem Wagen eine Gruppe israelischer Soldaten. Vier von ihnen mussten ihr Leben lassen.

(strei/ag.)

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