Arbeitnehmerschutz-Gipfel: "Waxing-Lady" eingeladen, Handel nicht

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Wirtschaftsminister Mitterlehner hat zur Diskussion geladen. Der Handelsverband fühlt sich übergangen, repräsentiert der Handel doch ein knappes Fünftel der heimischen Arbeitnehmer und 78.000 Unternehmen.

Endlich will die Politik auf die unübersichtlichen und teils veraltete Rechtslage des Arbeitnehmerschutzes reagieren. Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner will die Reform des Arbeitnehmerschutzes, das zum Sozialministerium ressortiert, anpacken. Er hat am Freitag zum Gipfel eingeladen, bei dem über die notwendigen Reformen gesprochen werden soll.

Die Teilnehmerliste ist hochkarätig: Sozialminister Stöger, ÖGB-Präsident Foglar und WKO-Generalsekretärin Hochhauser als Vertreter der Sozialpartner, Alice Kundtner von der Arbeiterkammer sowie IV-Generalsekretär Christoph Neumayer werden mit dem Wirtschaftsminister am Tisch sitzen. Aber auch Unternehmer wie der Welser Bäckerei-Chef Josef Resch, Michaela Reitterer in Doppelfunktion als Unternehmerin und Vertreterin der Hoteliervereinigung, Arbeitsrechtsexperte Franz Marhold und Christian Steyrer vom Flughafen Wien wurden zur Diskussion geladen. Komplettiert wird die Runde von Unternehmerin Katia Wagner, die als "Waxing-Lady" bekannt wurde und ihre Streitigkeiten mit dem Arbeitsinspektorat in den sozialen Medien werbewirksam angeprangert hatte.

Handelsverband nicht eingeladen

Doch eine Gruppe durfte in dieser illustren Runde nicht mitdiskutieren. Keine kleine, immerhin ist sie mit mehr als 580.000 Mitarbeitern (knapp 20 Prozent aller Beschäftigten) und 78.000 Unternehmen ein Big Player in der heimischen Wirtschaft. Nämlich der Handel. Rainer Will, Geschäftsführer des heimischen Handelsverbandes, zeigt sich gegenüber der "Presse" enttäuscht: "Uns wurde auf Nachfrage im Ministerium beschieden, dass die Wirtschaftskammer ohnehin dabei ist und in der Runde die Interessen des Handels vertreten wird." Warum dann aber die Industriellenvereinigung und die Hoteliervereinigung als freie Vertretungen zum Minister-Termin eingeladen wurden und der Handel nicht, kann der Handelsverband nicht nachvollziehen. Man hätte lieber eine Vergrößerung der Runde gesehen.

Im Wirtschaftsministerium hieß es dazu auf Anfrage der "Presse": "Die Teilnahme des Handelsverbandes wird nicht spielentscheidend sein." Den den Hinweis, dass jedoch Diskussionsteilnehmer mit weniger Klientel am Tisch sitzen, wollte man dort nicht kommentieren. Im übrigen habe man den Handelsverband gebeten, seine Anliegen schriftlich mitzuteilen. Der Handelsverband, der zahlreiche große und mittlere Unternehmen des heimischen Handels vertritt, zeigt sich von dieser Argumentation nicht besonders angetan.

Bürokratiemonster

Rainer Will will nun Wirtschaftsminister Mitterlehner zum nächsten Dialog des Handelsverbandes einladen und ihm dort Sachverhalte und Fälle aus der Handelswelt präsentieren. Dabei wird Will Ausdauer beweisen müssen, eine lange Liste wurde bereits erstellt. Highlight sei ein Bürokratiemonster über die Evaluierung der psychischen Belastungen von Mitarbeiter. Diese würden durch oftmaliges Befragen unter Druck gesetzt, bis man "irgendetwas" sagt, was wiederum zu erheblichen Aufwendungen im Unternehmen führe. Als Arbeitgeber müsse man pro Filiale einen fünf- bis seitigen Bericht erstellen. Im Fall der großen österreichischen Lebensmittelhändler kann das schon "in die Zehntausende" gehen, so Will. Das sei nicht administrierbar und diene auch nicht dem wertvollen Zweck, der verfolgt wird. Aber auch vorgeschriebene bauliche Maßnahmen wie eigens belüftete Toiletten-Vor-Räume sollen laut Handeslverband hinterfragt werden. Diese würden zwar der Bauwirtschaft helfen, aber die Händler in den Wahnsinn treiben.

Inhaltlich ist man mit dem Wirtschaftsministerium auf einer Linie. Dort wird auch kritisiert, dass die Fülle an Vorschriften beim Arbeitnehmerschutz sowohl Unternehmen als auch Inspektoren überfordere. Das Arbeitnehmerschutzgesetz allein habe 132 Paragraphen und zahlreiche Verordnungen wie die ArbeitsstättenVO, die Allgemeine ArbeitnehmerschutzVO, die ArbeitsmittelVO und die BauarbeiterschutzVO. Dazu machen aktuell 880 Erlässe im Arbeitnehmerschutz das Unternehmerleben schwer. 

Der Handelsverband betont, dass er die Initiativen und Bemühungen von Minister Mitterlehner schätze, der die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche österreichische Wirtschaft effizienter und weniger bürokratisch gestalten will.

(red./herbas)

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