Asyl: Kritik an Politik und NGOs

Reizthema und nun Stoff für ein Buch: der Ansturm auf Traiskirchen.
Reizthema und nun Stoff für ein Buch: der Ansturm auf Traiskirchen. APA/HANS KLAUS TECHT
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Traiskirchen-Chef Franz Schabhüttl erhebt in einem mit „Presse“-Redakteur Andreas Wetz verfassten Buch den Vorwurf, Hilfsorganisationen verfolgten eigene Interessen.

Wien/Traiskirchen. Das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen, die größte Flüchtlingsbetreuungsstelle Österreichs, ist seit Jahrzehnten mehr als eine Einrichtung für Menschen, die ihre Heimat verlassen haben. Die Einrichtung ist auch Reibebaum der Politik, Einsatzgebiet von NGOs sowie Dauerthema für Medienberichte.

Franz Schabhüttl, jener Beamte des Innenressorts, der seit 26 Jahren in führender Funktion in Traiskirchen tätig ist, die vergangenen 13 Jahre als Leiter (nun steht er vor der Pensionierung), und „Presse“-Redakteur Andreas Wetz präsentierten am Freitag ihr Buch „Brennpunkt Traiskirchen“. „Es ist Zeit, ein paar Wahrheiten auszusprechen, die in den vergangenen Jahren niemand hören wollte“, erklärten die Autoren. Ihre Kritik: In Zeiten der Überbelegung der Betreuungseinrichtung hätten NGOs wie Amnesty International, Ärzte ohne Grenzen und Caritas verkündet, dass unter den Asylwerbern Not, Hunger und medizinische Unterversorgung herrsche.

Diese im Sommer 2015 am Höhepunkt der Flüchtlingskrise abgegebenen Darstellungen (damals hielten sich zeitweise um die 4700 Personen in der für maximal 1820 Menschen ausgelegten Einrichtung auf) seien schlicht falsch gewesen – hätten aber Menschen dazu gebracht, Sach- und Nahrungsspenden abzuliefern. Im Buch heißt es dazu: „Mit den Spenden wuchs der Müllberg. Es war leider eine Tatsache, dass ein sehr großer Anteil der in guter Absicht nach Traiskirchen gebrachten Sachspenden die Betreuungsstelle schon bald wieder im stinkenden Bauch eines Lkw der Müllabfuhr verließ.“ Schabhüttl: „Wir mussten durch die so ausgelöste Spendenflut auf Kosten der Steuerzahler wöchentlich bis zu 50 Tonnen an brauchbaren Waren entsorgen.“ NGOs hätten sich wie Unternehmen benommen, denen es „um Geld und Einfluss“ gehe.

Zu den Vorwürfen meinte Amnesty-Österreich-Generalsekretär Heinz Patzelt zur „Presse“: „Wir waren mit vier Personen im Rahmen einer Research-Mission im August 2015 in Traiskirchen. Unser Thema war nicht Herr Schabhüttl, sondern wir gingen der Frage nach: Wie passt die Situation in Traiskirchen mit kleinen Kindern und Schwangeren, die unter freiem Himmel oder in Zelten schlafen mussten, mit dem gut verwalteten Rechtsstaat Österreich zusammen?“

 Franz Schabhüttl, Andreas Wetz; Brennpunkt Traiskirchen; edition a; 272 Seiten; € 21,90
Franz Schabhüttl, Andreas Wetz; Brennpunkt Traiskirchen; edition a; 272 Seiten; € 21,90edition a

Eva Hosp, die Sprecherin von Ärzte ohne Grenzen, sagte: „Die Vorwürfe entbehren jeder Grundlage. Vielmehr sind sie ein weiterer Beweis für die Fehleinschätzung der damaligen Lage durch die zuständigen Behörden, die letztlich zur Eskalation der humanitären und medizinischen Situation in Traiskirchen führte.“ Und der Generalsekretär der Caritas Wien, Klaus Schwertner, meinte auf „Presse“-Anfrage: „Von der Caritas wurden tausend Schlafsäcke ausgegeben. Auch an kleine Kinder, wegen Obdachlosigkeit. Das war das erste Mal in der zweiten Republik.“ Viel Kleidung sei nur deshalb im Müll gelandet, weil keine Möglichkeit bestanden habe, getragene Kleidung zu waschen.

Weggeworfene Pässe

Zurück zum Buch. Schon der Einstieg fällt direkt aus, so schreibt Schabhüttl: „Eine Million Menschen zogen 2015 weitgehend ungehindert und friedlich durchs Land. Etwa 90.000, so viel wie niemals zuvor, brachten hierzulande einen Antrag auf Asyl ein. Die meisten von ihnen, Experten aus meinem Haus sprechen von bis zu 80 Prozent, warfen zuvor noch schnell ihre Papiere weg, um zu Beginn des Verfahrens eine andere Herkunft, ein anderes Alter oder gleich eine andere Identität angeben zu können.“

Schabhüttl am Freitag vor Journalisten: „Wenn schon ein Stereotyp von Asylwerbern her muss: Sie sind mehrheitlich jung, männlich und nachtaktiv.“ Und: „Die meisten von ihnen sind auf der Suche nach besseren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.“

Österreich wäre künftig gut beraten, so hieß es abschließend, wenn staatlich bestimmte Zuwanderung „außerhalb der Asylschiene“ durch Einwanderungsanträge in den jeweiligen Heimatländern organisiert werde.

(m.s.)

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