Leitartikel

Friedensprojekt Europa: Was bringen die nächsten 60 Jahre?

Sicherheitsvorkehrungen vor dem EU Sondergipfel in Rom
Sicherheitsvorkehrungen vor dem EU Sondergipfel in Romimago/Xinhua
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Beim EU-Gipfel herrscht Optimismus, dass man die bestehenden Probleme lösen kann. Eine Schlüsselrolle für die Zukunft spielt die jüngere Generation.

In der italienischen Hauptstadt, Rom, findet an diesem Wochenende ein symbolträchtiger Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union statt. Es geht dabei gleichzeitig um die Zukunft als auch um die Vergangenheit der EU. Einerseits werden entscheidende Weichenstellungen für ein künftiges Europa diskutiert, und andererseits wird ein wichtiger historischer Gedenktag zelebriert, nämlich die Unterzeichnung der Römischen Verträge vor 60 Jahren, die den Grundstein für die heutige EU legten. Schließlich ergab sich durch den Tagungsort Rom auch die seltene Möglichkeit für die EU-Politiker, sich höchstpersönlich den Segen des Papstes für das europäische Projekt zu holen.

Der Gedenktag sollte für alle Europäer wieder einmal Anlass sein, sich die Vorgeschichte der Union vor Augen zu führen: Nach jahrhundertelangen Feindschaften auf dem europäischen Kontinent, nach zwei furchtbaren Weltkriegen schafften es einige besonders konsequente Politiker aus bisher verfeindeten Staaten, sich mit ihrer Idee einer Einheit Europas durchzusetzen. Das sollte man heute bei aller oft berechtigten Kritik an Brüssel nicht vergessen, dass die Gemeinschaft in erster Linie ein Friedensprojekt war, das dem Kontinent dauerhaften Frieden gebracht hat. Das ist eine historische Lehre, die in den Hintergrund gerückt ist.

Und noch eine Lehre kann man aus den Anfangstagen ziehen. So gut wie alle Gründungspersönlichkeiten sahen den Nationalismus als die große Gefahr für das EU-Projekt an. Heute weiß man auch, dass es in den Fünfzigerjahren massiven Widerstand nationalistisch denkender Kreise gegen die EU gab und das Projekt Europa fast gescheitert wäre.

Der Nationalismus ist auch heute wieder eine der Hauptbedrohungen für Europas Einheit. Zuerst der eigene Staat und dann die „unfähige EU“ – mit diesen Parolen fahren so manche Politiker gut. Und sie gehen sogar so weit, dass sie EU-Institutionen als Feinde bezeichnen, nur um die eigene Klientel besser hinter sich scharen zu können. Hoffnung gibt, dass es in diesen Ländern – die meisten sind im ehemaligen Osteuropa beheimatet – auch starke proeuropäische Bewegungen gibt.

Doch auch in Brüssel wurden in den vergangenen Jahren große Fehler gemacht. Zu große Regulierungswut, zu bürokratische Strukturen, zuwenig Hinhören auf das, was die Menschen wirklich brauchen – alles Futter für Populisten, die ihr eigenes EU-Süppchen kochen. Es gibt jedoch, so steht's zumindest in den aktuellen Entwürfen zur Gipfelerklärung in Rom, den Willen, Reformen durchzuführen, flexiblere Strukturen zu schaffen und sich auf die wesentlichen Aspekte der Gemeinschaft – wie zum Beispiel Migration, Finanzen, Verteidigung – zu konzentrieren.


Wird die EU weitere 60 Jahre bestehen? Seriös beantworten wird dies wohl niemand können, doch es gibt durchaus Hoffnung – und die ruht vor allem auf der jüngeren Generation. Wie die meisten Umfragen in den verschiedenen Ländern zeigen, sind es vor allem die Älteren, die zu EU-Skepsis neigen. Gezeigt hat sich das unter anderem bei der Brexit-Abstimmung in Großbritannien, bei der die Mehrzahl der Jüngeren für einen EU-Verbleib gevotet haben. Auch in den Oststaaten, wo es sehr starke Anti-EU-Ressentiments gibt, ist es die jüngere Generation, die durchaus europäisch denkt. Viele von ihnen sind aufgewachsen in einer Zeit, als man ungehindert über die meisten Grenzen fahren konnte, sie kennen die Freiheit, da und dort in Europa zu studieren oder erste Jobs anzutreten. Rückschritte in Abschottung wollen sie nicht so recht akzeptieren.

Diese Generation, die nach und nach auch mehr zu sagen hat, will sich diese Freiheiten nicht von nationalistischen Blockierern nehmen lassen. Dazu kommt, dass die mit ihrem Anti-EU-Kurs groß gewordenen Populisten fast überall in Europa schwächeln. Wenn dann noch die Granden der EU ihre angekündigten Reformen tatsächlich durchführen und sich mehr als bisher auf die jüngere Generation einstellen, wäre das ein guter Neuanfang zum Gedenktag. Wie sagte noch Adenauer damals? Es gebe Optimisten und Pessimisten. Erstere hätten gesiegt.

E-Mails an:gerhard.bitzan@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2017)

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