Kerns Spagat in Wien: Leiser Appell an Einigkeit

KLUBTAGUNG DER WIENER SPÖ: BK KERN
KLUBTAGUNG DER WIENER SPÖ: BK KERNAPA/HANS KLAUS TECHT
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Bei der Tagung seiner wichtigsten Landespartei umschiffte der Kanzler das brisanteste Thema.

Wien. Christian Kern weiß, wo er sich befindet. Auf der Bühne der Veranstaltungshalle in Wien-Floridsdorf beschwört der Kanzler am Freitag eindringlich die Wurzeln der Sozialdemokratie. Er lobt die Verdienste von Victor Adler. Und jene der Gewerkschaften, die einen Mindestlohn von 1500 Euro (brutto) für Friseure und Spediteure ab 2020 durchgesetzt haben. Er erinnert an den Kampf der Sozialdemokratie für die Gleichstellung von Frauen. Und betont die Wichtigkeit der roten Kernthemen Arbeitsplätze, Bildung und soziale Gerechtigkeit.

Die Genossen bei der traditionellen Klubklausur der Wiener SPÖ danken es ihm mit Standing Ovations. Vor allem, nachdem sich Kern auf die Freiheitlichen und die ÖVP einschoss. Immerhin ist keine rote Landespartei traditionell so weit links der Mitte verankert wie die Wiener SPÖ.

Auf die Flügelkämpfe, die die Bürgermeisterpartei von Michael Häupl erschüttern, geht Kern nicht ein. Zu explosiv ist die Situation in seiner bedeutendsten Landespartei, als dass der Kanzler Position beziehen könnte – vor allem, seit Kerns Parteimanager, Georg Niedermühlbichler, den Kritikern von Bürgermeister Michael Häupl öffentlich gedroht hatte: Diese könnten sich warm anziehen, wenn sie sich mit Häupl anlegen würden. Was empört Gegenreaktionen von Wiener Funktionären ausgelöst hatte, die von Häupl eine Klärung seiner Nachfolge fordern – in Hinblick auf die Spitzenkandidatur bei der Wien-Wahl 2020.

Der Bundeskanzler selbst ging nur zwischen den Zeilen auf diese Situation ein: „Wenn die Sozialdemokratie in Wien stark ist, wird sie im ganzen Land stark sein – von Wien aus.“ Der Appell an die Einheit der Wiener SPÖ fiel ebenfalls demonstrativ diplomatisch aus: „Kein Kanzler, kein Bürgermeister und kein Stadtrat wird es schaffen, den Karren allein zu ziehen. Es geht um jeden einzelnen Funktionär.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2017)


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