Uni-Finanzierung: Lernen von den USA

Der Campus der Washington University School of Medicine, Arbeitsplatz des Österreichers Peter Nagele seit 2005.
Der Campus der Washington University School of Medicine, Arbeitsplatz des Österreichers Peter Nagele seit 2005.(c) Washington University School of Medicine
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Gerade ihre Finanzierung ist Teil des Erfolgsrezeptes der amerikanischen Universitäten. Da könnten sich unsere Unis manches abschauen.

In Wissenschaft und Forschung sind US-Universitäten noch immer das Maß aller Dinge. Regelmäßig belegen sie in internationalen Rankings die Spitzenplätze. Warum eigentlich? Gibt es eine „secret sauce“? Ich glaube, ja – und es betrifft im Kern, wie sich die amerikanischen Universitäten finanzieren. Und das könnte man sich von österreichischer Seite her durchaus abschauen.

Ein Umstand, der Europäern wenig bekannt ist, ist die Tatsache, dass alle zehn Top US-Unis private Universitäten sind (Princeton, Harvard, University of Chicago, Yale, Columbia, Stanford, MIT, Duke, Penn, Johns Hopkins). Das heißt, dass keine dieser Institutionen eine Basisfinanzierung von öffentlicher Hand erhält.

Wenn man etwa die Stanford University mit der Uni Wien vergleicht, werden die Unterschiede rasch klar: 73 Prozent des Budgets der Uni Wien stammen aus der Basisfinanzierung, 25 Prozent aus „Sonstigen Erträgen“, zwei Prozent von Studienbeiträgen; im Vergleich stammen 31 Prozent des Budgets von Stanford aus Erträgen des Stiftungsvermögens (endowment), 18 Prozent aus kompetitiv eingeworbener Forschungsförderung, 16 Prozent von Studienbeiträgen und 16 Prozent als Gewinn des Stanford Krankenhauses.

Wie können diese US-Universitäten finanziell überleben und das nur mit geringer oder gar keiner öffentlichen Finanzierung? Was hier hervorsticht, ist die Bedeutung des Stiftungsvermögens und auch die Wichtigkeit der Studienbeiträge.

Das Stiftungsvermögen hängt im Wesentlichen mit gemeinnützigen Spenden an Universitäten zusammen. Während in Österreich Spenden an Universitäten selten sind, haben sie in den USA eine lange Tradition. Zum einen hängt es damit zusammen, dass in den USA Spenden an Universitäten als gemeinnützige Abgabe steuerlich abgeschrieben werden können. Zum anderen gibt es in den USA die Tradition der Philanthropie, wo der Gedanke des „Zurückgebens“, wenn man es im Leben zu etwas gebracht hat, weitverbreitet ist. Dabei geht es nicht nur um medienwirksame Großspenden von Milliardären; den Löwenanteil am Spendenaufkommen machen Kleinspenden zwischen 100 und 1000 Dollar aus. So haben mehrere US-Universitäten im Zuge von großen Spendenkampagnen innerhalb weniger Jahre mehr als eine Milliarde Dollar an Spenden eingenommen.

Der Clou an den Spenden ist, dass sie in das Stiftungsvermögen der Universität einfließen, wo es als Kapital permanent veranlagt, aber nicht ausgegeben wird. Ausgegeben wird nur der Ertrag aus dem Stiftungsvermögen. Wenn man eine durchschnittliche jährliche Rendite von fünf Prozent annimmt, erwirtschaftet ein Stiftungsvermögen von einer Milliarde Euro jedes Jahr 50 Millionen Euro. Allein mit dem Ertrag aus seinem Stiftungskapital von 10,8 Mrd. Dollar könnte das Massachusetts Institute of Technology (MIT) das gesamte Jahresbudget der Universität Wien (ca. 500 Millionen Euro) abdecken. Das Stiftungsvermögen garantiert ein einigermaßen fixes Einkommen, das nicht von kompetitiven Zuwendungen abhängig ist und langfristige finanzielle Stabilität ermöglicht.

Umgelegt auf Österreich hieße es: wenn die Universitäten finanziell über mehr Spielraum verfügen wollen, dann ist der Aufbau eines eigenen, unabhängigen Stiftungsvermögens eine attraktive Option. Österreichische Universitäten werden zum Großteil basisfinanziert – das heißt, der Bund schließt eine Rahmenvereinbarung mit den Universitäten und finanziert das Globalbudget. Ein kleiner Teil kommt aus der kompetitiven Forschungsförderung („Grants“), zum Beispiel vom Wissenschaftsfonds FWF oder der EU.

In den USA hingegen gibt es mit wenigen Ausnahmen keine oder nur geringe Basisfinanzierung, aber einen viel größeren Topf an kompetitiver Forschungsförderung. Die beiden größten Forschungsförderungseinrichtungen sind neben dem US-Verteidigungsministerium das NIH (National Institutes of Health) und die NSF (National Science Foundation). Das NIH stellt etwa 24 Milliarden Dollar pro Jahr an externen kompetitiven Drittmittel („Grants“) zur Verfügung und das NSF etwa sechs Milliarden (gemeinsam ca. 100 Dollar pro US-Einwohner).

Im Vergleich stellt Österreich mit dem FWF ein Bewilligungsvolumen von etwa 200 Millionen Euro jährlich zur Verfügung (ca. 25 Euro pro Österreicher). Selbstverständlich wird über die österreichischen EU-Abgaben auch das EU-Forschungsrahmenprogramm mitfinanziert, wodurch EU-Forschungsförderung wieder zurück nach Österreich fließt. Dennoch ist daraus abzuleiten, dass die Dotierung kompetitiver Forschungsförderungsprogramme etwa um einen Faktor 3 bis 4 in den USA höher anzusiedeln ist als in Österreich.

Drittmitteleinwerbung. Warum diese Programme für die US-Universitäten so essenziell sind, ist leicht erklärt: Drittmittel decken nicht nur die Projektkosten (Personal- und Sachleistungen) ab, sondern bringen den US-Unis zusätzlich einen bis zu 70 Prozent „Overhead“; mit diesen Overhead-Kosten finanzieren sie einen Großteil ihrer Basiskosten. Aus diesem Grund ist eine erfolgreiche Drittmitteleinwerbung so wichtig und darum existiert ein harter Wettbewerb um diese Fördertöpfe.

Für Österreich wäre eine vermehrte Umschichtung von der nicht-kompetitiven zur kompetitiven Forschungsförderung, die mit einem Anheben des FWF-Budgets inklusive Overhead-Kosten und einer Reduzierung der Basisfinanzierung verbunden sein könnte, eine denkbare Option. Dass dieses Konzept aber nicht nur auf Gegenliebe stoßen dürfte, ist abzusehen.

Österreichs Universitäten müssten keine der positiven und erfolgreichen Aspekte des österreichischen Hochschulwesens aufgeben oder verraten, wenn sie einfach ein paar Ansätze der US-Universitäten in Sachen Finanzierung abschauen würden. Der Aufbau eines eigenen Stiftungsvermögens wäre eine erste attraktive Option, der unseren Universitäten mehr Handlungsspielraum, höhere Wettbewerbsfähigkeit und langfristig mehr Unabhängigkeit garantieren würde.

Steckbrief

Peter Nagele,
Anästhesist

St. Louis,
Missouri, USA

Fokus. Peter Nagele, geboren 1971, ist Anästhesist und klinischer Forscher an der Washington University School of Medicine in St. Louis. Er erforscht verbesserte Diagnose- und Therapiestrategien kardialer Komplikationen bei chirurgischen Patienten. Zudem untersucht er den Einsatz von Lachgas als Behandlungsmethode von Depression.

Netzwerk. Der Mediziner ist Gründungsmitglied von Ascina, dem Netzwerks österreichischer Forscher in Nordamerika, und war von 2008 bis 2011 dessen Präsident.

?Washington University School of Medicine

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2017)

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