Türkei: Ein neues Gefängnis für Abdullah Öcalan

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Der prominente Kurdenführer bleibt Machtfaktor. Der Staat gibt sich ziemlich Mühe mit seinem wegen Hochverrats zu lebenslanger Haft ohne Möglichkeit zur Begnadigung verurteilten Gefangenen.

Istanbul. Der seit zehn Jahren auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer gefangene PKK-Chef Abdullah Öcalan zieht um. Es ist aber kein weiter Umzug, er übersiedelt von dem eigens für ihn vor zehn Jahren extra erbauten alten Gefängnis in ein neues – auf der gleichen kleinen Insel.

Der türkische Staat hat sich die Sache und also seinen prominentesten Häftling etwas kosten lassen. Mit fünf Millionen Dollar werden die Baukosten angegeben. Am Eingang zu seiner neuen Zwangsunterkunft wird der kurdische Rebellenführer bei seinem Umzug eine Büste Atatürks sehen. Auch Zitate des Gründers der türkischen Republik, in denen er die Liebe zu seinem Land zum Ausdruck bringt, sind dort angebracht, und es wehen türkische Fahnen.

In dem auf einer Fläche von 1000km errichteten Gefängnis bezieht Öcalan eine Einzelzelle von gerade einmal sieben m.

Erstmals Mitgefangene

Erstmals wird Öcalan auf Imrali auch Mitgefangene haben. Die Türkei kommt damit einer Forderung des Europarates nach. Acht andere gefangene PKK-Kämpfer kommen ebenfalls nach Imrali. Nicht nur ein neues Gefängnis wurde für Öcalan gebaut, auch das Personal von 40 Wächtern soll komplett ausgetauscht werden.

Der Staat gibt sich ziemlich Mühe mit seinem wegen Hochverrats zu lebenslanger Haft ohne Möglichkeit zur Begnadigung verurteilten Gefangenen. Dafür gibt es gute Gründe. Auch nach zehn Jahren auf Imrali ist Öcalan noch immer der unumstrittene Chef der PKK und verfügt über großen Einfluss bei den Kurden. Über seine Anwälte kommandiert er die Organisation. So befahl er Mitte Oktober acht Kämpfern, die Waffen niederzulegen und aus ihrem Unterschlupf im Nordirak in die Türkei zu kommen. Dort wurden sie nach einer Befragung freigelassen.

Der Mikrokosmos von Imrali

Öcalan hat auch einen Friedensplan für eine Lösung des Kurdenkonfliktes ausgearbeitet. Auch der türkische Premier, Recep Tayyip Erdo?an, plant – mittlerweile unter dem Titel „nationale Öffnung“ – eine Initiative zur Lösung der Kurdenfrage. Zwar erscheint es ausgeschlossen, dass die Türkei auf Öcalans Plan eingeht oder den Verfasser als Gesprächspartner akzeptiert, als Faktor kann man ihn jedoch nicht einfach übergehen.

Auch wenn wenig Liebe dabei ist, so ist das Verhältnis des Staates zu seinem Gefangenen eine Art Hassliebe. Man mag sich nicht, doch keiner lässt den anderen los. Öcalan ist gefangen, doch über den Kurdenkonflikt hängt die Türkei am Gängelband ihres Häftlings. Für den erlösenden Ausweg, eine große politische Reform, fehlt der Mut. So muss sich der Staat eben um seinen Häftling kümmern und hoffen, dass sich Veränderungen im Mikrokosmos von Imrali auf das Verhalten von Öcalans Fußvolk draußen auswirken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2009)

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