Für manche ist es Klopapier...

(c) Harald Hofmeister
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Es ist für uns alle unübersehbar Herbst geworden.

Und auch unüberhörbar, unüberspürbar und unüberriechbar – Letzteres natürlich nur für jene, deren Nase nicht gerade auf permanente Tuchfühlung angewiesen ist. Apropos Tuch, darüber habe ich mir kürzlich ein wenig den Kopf zerbrochen. Genauer, über die verschiedenen Nutzertypen des Taschentuchs – und was wir aus dem Umgang mit dem Schnäuzbehelf über die Persönlichkeit des Schnäuzers erfahren können.

Der Stofftaschentuchbenutzer etwa meint Stil zu haben. Ein Stil, der jedesmal auf die Probe gestellt wird, wenn der Schnäuzwillige beim Fingern nach dem Sacktuch (so nennt er es meist) aus der linken Tasche der Wollweste ein Gefühl verspürt, als würde er einem Ochsen das wiedergekäute Futter aus dem Maul ziehen. Und es dann doch an die Nase führt – und danach wieder auf den Weg zurück in die mittlerweile modrige Wollweste schickt.

Derartigen Stil verabscheut der Freund des Papiertaschentuchs. Aus der Zehnerpackung in der linken Hosentasche zieht er mit überlegenem Lächeln bügelglatte Tüchlein, die er nach dem zärtlichen Kontakt mit den wunden Nasenflügeln als Stoffknäuel in die rechte Hosentasche wandern lässt, die im Lauf des Tages zunehmend zum Feuchtbiotop mutiert.

Stilvoll geht anders, wie eine Kollegin jüngst bewies – einzeln riss sie die Blätter von einer Rolle, die sie auf ihrem Tisch abgestellt hatte. Liebevoll tupfte sie damit das Nasensekret auf und warf das Blatt in den Papierkorb – ehe sie ein weiteres Mal zur Rolle griff. Ihre Taschen blieben sauber. Und während sie so dasaß, begannen ihre Augen noch heller als ihre Nase zu leuchten, als sie sprach: Für manche ist es Klopapier, für andere das längste Taschentuch der Welt.


erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2009)


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