Sparer werden auch in kommenden Jahren schleichend enteignet

(c) APA/BARBARA GINDL
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Die meisten Österreicher wissen, dass sie mit dem Sparbuch real Geld verlieren. Trotzdem setzen sie vor allem auf dieses Anlageprodukt. Mit signifikant höheren Zinsen, die auch noch die Inflation wettmachen, dürfen sie auch in den kommenden Jahren nicht rechnen.

Wien. „Angenommen, Sie haben auf einem Sparkonto 1000 Euro, die mit 0,15 Prozent verzinst werden. Die jährliche Inflationsrate beträgt 1,9 Prozent. Sie haben für Ihr Konto keine Extragebühren/ keine Extrakosten. Können Sie sich in einem Jahr für das gesparte Geld eher mehr, genauso viel oder weniger leisten als heute?“

78 Prozent der im Auftrag der Swiss Life Select Befragten wussten, dass die Antwort „... weniger leisten als heute“ lautet. Mehr Männer als Frauen konnten die richtige Antwort geben (86 versus 71 Prozent), 50- bis 59-Jährige eher als 20- bis 29-Jährige (89 zu 61 Prozent). Auch die Begriffe „Dividende“ und „Rendite“ konnte die Mehrheit der 1000 Befragten richtig zuordnen.

Die Österreicher wissen demnach, dass man mit dem Sparbuch Geld versenkt. Doch scheint sie das nicht zu stören. 70 Prozent gaben an, ein Sparbuch zu besitzen. Damit war das Sparbuch unter 14 abgefragten Anlageprodukten das mit Abstand beliebteste, auch hat die Verbreitung gegenüber dem Vorjahr noch zugelegt.

Den größten Zuwachs verzeichnete der Anteil derer, die auf Bargeld als Notgroschen setzen. Hatten vor einem Jahr 29 Prozent angegeben, auf diese Weise vorzusorgen, so waren es zuletzt 41 Prozent. Der Anteil der Wertpapierbesitzer ist von 20 auf 27 Prozent geklettert, jener der Gold- und Silber-Besitzer von zwölf auf 18 Prozent. Und hatten im Vorjahr noch sechs Prozent angegeben, gar keine Vorsorgeprodukte zu besitzen, so waren es diesmal drei Prozent.

Dass die Zinsen in nächster Zeit stark steigen werden, halten die Swiss-Life-Experten indes für unwahrscheinlich, vor allem in Europa. Grund ist die „finanzielle Repression“, also die schleichende Enteignung der Sparer, auf die die Notenbanken setzen, um die Staaten zu Ungunsten der Sparer zu entlasten. Das tun sie, indem sie den Leitzins niedrig halten und Anleihen kaufen.

Wachstum wird mager bleiben

Andere Wege zum Schuldenabbau sind laut Marc Brütsch, dem Chefökonomen von Swiss Life, versperrt: Ein hohes Wirtschaftswachstum – der für alle Beteiligten beste Weg – ist aufgrund der demografischen Situation (die Bevölkerung altert und wächst nicht mehr) unwahrscheinlich. Eine andere Möglichkeit wäre ein verschärfter Sparkurs, doch dazu sei die politische Bereitschaft in Europa erschöpft.

Ein hoher Inflationsschub in Europa sei auch unwahrscheinlich angesichts der demografischen Situation und der Globalisierung. Allenfalls kämen Schuldenschnitte infrage. Die in demokratischen Staaten am leichtesten durchzusetzende Möglichkeit sei also, die Sparer indirekt zur Kasse zu bitten.

Indes hat eine Studie der Fachhochschule St. Pölten und der Hochschule Luzern das Finanzwissen von Österreichern und Schweizern verglichen. Das Ergebnis: Die Österreicher wissen weniger als die Schweizer – und sorgen auch seltener für ihr Alter vor als die Eidgenossen. Während in der Schweiz mehr als die Hälfte der Befragten alle 16 gestellten Finanzfragen richtig beantworten konnten, waren es in Österreich nur 35,5 Prozent.

Geldanlage scheint auch ein kulturelles und länderspezifisches Phänomen zu sein. „In Österreich gehen eher nur jene an die Börse, die über mehr Finanzwissen verfügen. Im Allgemeinen sind die Menschen den Börsen gegenüber skeptisch eingestellt. In der Schweiz ist die Affinität für die Börse unter allen befragten Personen höher, unabhängig vom Stand des Finanzwissens“, wird Studien-Koautorin Monika Kovarova-Simecek in einer Aussendung zitiert. (b. l.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2017)

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