Ukraine: Exodus der Russen-Banken hat begonnen

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Es ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Die Ukraine drängt Banken mit staatlichem russischem Kapital aus dem Land. Die Sberbank hat nun einen Käufer für ihre Tochter gefunden. Die anderen suchen verzweifelt.

Wien. Der Krieg hat viele Gesichter. Wird er auf dem Bankensektor ausgetragen, kann eine Filiale schon einmal über Nacht zugemauert werden. So geschehen kürzlich mit der russischen Sberbank in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Dortige Nationalisten oder bezahlte Scharfmacher hatten eine Mauer um die Zentrale gezogen und so den Geschäftsverkehr blockiert.

Am gestrigen Dienstag dann zogen sie ab. Kurz zuvor nämlich war bekannt geworden, dass die staatliche Sberbank – Russlands größtes Geldinstitut – nun doch einen Käufer für ihre Ukraine-Tochter gefunden hatte. Käufer sind ein weißrussisches Konsortium rund um den Geschäftsmann Said Guzerijew sowie die lettische Norvik Banka, wie die Beteiligten mitteilten. Ob es sich tatsächlich um einen echten Verkauf handle oder doch nur formal die Schilder ausgewechselt werden, werde sich weisen, meint ein ausländischer Bankenmanager in der Ukraine im Gespräch mit der „Presse“. Schließlich ist der britische Staatsbürger Guzerijew Sohn des russischen Ölmilliardärs Michail Guzerijew.

Absprung geschafft

Wie dem auch sei, die Sberbank – sechstgrößte Bank in der Ukraine – hat den Absprung geschafft. Dass ein Rückzug der russischen Staatsbanken aus der Ukraine erwünscht ist, hatte die Ukraine bereits Mitte März unzweideutig signalisiert. Konkret wurde ihnen verboten, fortan Kapital an ihre Mütter ins Ausland zu überweisen.

Der Rückzug der Sberbank ist demnach also nur der Auftakt für einen großflächigen Exodus der russischen Staatsbanken. Sie alle würden bereits Verkaufsverhandlungen führen, meinte soeben Nationalbank-Vizechefin Jekaterina Roschkova. Die Suche nach Käufern laufe in der Tat auf Hochtouren, wie ein Marktteilnehmer im Gespräch bestätigt. Und zwar seit einiger Zeit.

Beobachter schließen daher nicht aus, dass die Blockade von Filialen eine konzertierte Aktion ist, um den Preis zu drücken. So habe sich der Preis der Ukraine-Tochter der zweitgrößten russischen Bank VTB zuletzt um 50 Mio. Dollar verbilligt, so die russische Zeitung „Kommersant“ vorige Woche. Auch VTB-Filialen in Kiew wurden blockiert. Insgesamt sind fünf Banken mit russischem Staatskapital in der Ukraine aktiv. Sie vereinen acht Prozent der dortigen Bilanzsumme.

An Kaufinteressenten bestehe kein Mangel, ist aus dem Umfeld der VTB zu hören. Nur zu Abschlüssen komme es nicht. Ausländer seien übrigens kaum darunter.

Viele faule Kredite

Dass russische Staatsbanken das Land verlassen wollen, hat übrigens nicht nur mit dem Druck seitens der Ukraine zu tun. Es liegt auch daran, dass sie in den wirtschaftlich fetten Jahren Kredite unkontrollierter als andere vergeben haben. Und sie sind durch ihr Engagement in der ostukrainischen Industrie paradoxerweise stärker vom Separatistenkonflikt betroffen. Alle fünf russischen Staatsbanken in der Ukraine bilanzieren negativ.

Auf dem gesamten Sektor des Landes gilt ein Drittel der Kredite als uneinbringbar. Ende 2016 musste die größte Bank des Landes, die oligarchische „Privat-Bank“, verstaatlicht werden. (est)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2017)

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