Auch ehrenwerte Organisationen werden leider zu den NGOs gezählt

Verdiente Hilfsorganisationen sollten sich vehement dagegen wehren, unter die NGOs gereiht zu werden. Zu viele dubiose andere spielen in diesem Zirkus mit.

Sucht man in alten Lexika – in meiner Bibliothek sind zwei mehrbändige Enzyklopädien von Meyer vorhanden, die eine aus den 1970er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, die andere aus den 1890er-Jahren; immer noch interessant, darin zu schmökern, wenn man verschollenes Wissen erkunden möchte – findet man das Stichwort nicht: NGO, Nichtregierungsorganisation, im deutschen Sprachraum zuweilen auch als NRO abgekürzt. Somit beziehe ich meine Information aus dem Netz unter der Adresse des Vereins The World of NGOs (TWoNGOs). Schon das dortige Motto klingt pathetisch: „Die Welt verbessern? Ja, gemeinsam!“ Mit Interesse lese ich, dass in Österreich der Begriff NGO nicht gesetzlich definiert ist und es auch keine öffentliche Stelle gibt, welche Organisationen offiziell als NGO registriert.

„Es bleibt“, erfahre ich von TWoNGOs, „also der Wahrnehmung überlassen, ob eine Organisation als NGO empfunden wird oder nicht, sowohl der Selbstwahrnehmung der Organisation als auch der Fremdwahrnehmung, also der Öffentlichkeit, Fachöffentlichkeit und Medien, sowie Regierungs- und überregionalen Verwaltungsstellen.“

Schwammiger geht es gar nicht – der glatte Freibrief für von sich selbst eingenommene Institutionen, sich in den Kreis der NGOs zu zwängen. So die mit blindem Eifer „gegen die Kräfte der neoliberalen Globalisierung“ geifernde und sich dementsprechend martialisch bezeichnende Attac; so Greenpeace und Global 2000, die emphatischen und sich unfehlbar wähnenden Retter der Natur.

Daher gibt es zum Beispiel keinen Ausschließungsgrund, mehrere Dutzend Organisationen, die zu Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen gegen Israel aufrufen, für NGOs zu erachten. Denn „wenn seine Mitglieder internationale Projekte mit globalen Themen durchführen“ – und das kriegt man mit ein paar Winkelzügen locker hin –, „kann auch ein regionaler Gartenbauverein zu einer NGO werden“.

Aber, wie TWoNGOs treuherzig versichert, Organisationen wie der Ku-Klux-Klan oder eine rechtsradikale Gruppierung – das geht gar nicht. Denn „NGOs verfolgen keine schädigenden oder diskriminierenden Tätigkeiten, ihre Aktivitäten richten sich auf das Wohl der Welt, für Menschen, Tiere, Umwelt oder Politik“. Sie sind schlicht die Guten. Warum nicht auch resolut linksradikale Gruppierungen von TWoNGOs ausgeschlossen werden, bleibt im Dunklen.

Leider werden viele höchst ehrenwerte Organisationen zu den NGOs gezählt. Sie sollten sich lautstark und vehement dagegen wehren und davon distanzieren. Zu viele dubiose andere spielen in diesem Zirkus mit. Sie sollten sich nicht unter diesen Begriff zerren lassen, sondern ihre alten Namen als uneigennützige Hilfsorganisationen beibehalten. Nothilfe und Katastrophenhilfe sind Begriffe, die ich in meinen beiden Meyer-Enzyklopädien finde.

Bereits der Name NGO spricht Bände: Das Nein zu Regierungen ist die Triebfeder. Eine NGO will, so sie das N in der Abkürzung ernst nimmt, nicht die Arbeit des Staates und seiner Organisationen ergänzen und bereichern. Sie setzt sich davon ab.

Denn ihrer Meinung nach weiß sie es besser, wie man dem „Wohl der Welt, für Menschen, Tiere, Umwelt oder Politik“ zum Durchbruch verhilft. Sie wünscht den Politikern nicht, um mit Max Weber zu sprechen, „die geschulte Rücksichtslosigkeit des Blicks in die Realitäten des Lebens, sie zu ertragen und ihnen innerlich gewachsen zu sein“. Nein, die NGO hat nur Moral – oder was sie dafür hält – im Sinn und will nicht wahrhaben, dass Moral nur im Privaten, nie aber im Politischen als Richtschnur dienen sollte.

Bitter ist, dass das Staatsoberhaupt jüngst das Rote Kreuz und andere Hilfsorganisationen nicht bei ihren Namen nannte, sondern bewusst und gegen den von Verantwortung getragenen Außenminister gerichtet diese dezidiert als NGOs pries. Sie haben Lob verdient, aber nicht dieses.

Zum Autor:

Rudolf Taschner ist Mathematiker und betreibt zusammen mit Kollegen das math.space im quartier21, Museumsquartier Wien.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.