Briten stoppen EuGH-Zuständigkeit

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Die britische Regierung leitet die Übernahme von EU-Recht ein und stellt gleichzeitig nationales Recht und nationale Gerichte über jene der EU.

London. Mit der gestern, Donnerstag, im Londoner Unterhaus vorgelegten Great Repeat Bill will die britische Regierung das Beitrittsgesetz von 1972 rückgängig machen. Stattdessen werden alle EU-Bestimmungen, die in den vergangenen vier Jahrzehnten der Mitgliedschaft entstanden sind, in nationales Recht übertragen. Damit sollen „Klarheit und Sicherheit für Unternehmen und Konsumenten für den Tag, an dem wir die EU verlassen“, geschaffen werden, wie Brexit-Minister David Davis vor dem Parlament betonte.

Nach der Übertragung in den nationalen Rechtsbestand soll in den kommenden zwei Jahren jede Bestimmung überprüft und danach bestätigt, novelliert oder gestrichen werden. So kurz die Zeit ist, so gewaltig ist das Volumen: Nach Schätzung der Regierung müssen 800 bis 1000 Gesetze überprüft werden. Zudem sind derzeit 5155 EU-Bestimmungen und 899 -Direktiven in Kraft. Insgesamt sprechen britische Verfassungsjuristen von 19.000 Rechtsakten mit EU-Bezug.

Um den Prozess zu beschleunigen, sieht die Gesetzesvorlage vor, der Regierung das Recht zu „Gesetzeskorrekturen“ ohne Mitsprache des Parlaments einzuräumen. Während Minister Davis ausdrücklich von „befristeten Maßnahmen“ sprach, kritisierte die Opposition eine „Machtergreifung“ der Regierung und eine Verletzung des demokratischen Prinzips der Gewaltentrennung. „Wir verlangen ganz klare Sicherheiten“, sagte der Brexit-Sprecher von Labour, Keir Starmer.

Die Spannweite des Überleitungsgesetzes umfasst praktisch jeden Bereich des öffentlichen Lebens. Sie reicht von Arbeitnehmerrechten bis Umweltschutzbestimmungen und von Fischereirechten, die bisher von der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU geregelt wurden, bis zu Sicherheitsvorschriften für Haushaltsgeräte.

Trotz dieser Hintertüre wurde einer zentralen Forderung der EU-Gegner bereits symbolisch Rechnung getragen: Der Gesetzesentwurf hält ausdrücklich fest, dass EU-Recht nicht länger Vorrang vor nationalem Recht genießt. Zudem wird proklamiert, dass sich Großbritannien nicht mehr länger der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) unterwerfen werde. In den kommenden Verhandlungen über die Neuordnung der Wirtschaftsbeziehungen werden deshalb bereits Schwierigkeiten erwartet, da der EuGH bisher als Schiedsgericht diente.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2017)

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