Wien hätte gute Chancen, die in London stationierte Arzneimittelagentur zu übernehmen, würde die Regierung nicht Osteuropa verärgern.
Wien/Brüssel. Die jüngsten Vorstöße der Bundesregierung für eingeschränkte Sozialleistungen an EU-Arbeitnehmer (Außenminister Kurz) und die Weigerung, Flüchtlinge aus Italien und Griechenland zu übernehmen (Verteidigungsminister Doskozil), könnten ein diplomatischer Bumerang werden. Denn Wien bemüht sich gleichzeitig um den Zuschlag für die aus London abziehende EU-Arzneimittelagentur (EMA). In diplomatischen Kreisen wird bereits auf mögliche Junktims verwiesen. Sollte sich Österreich bei der Agentur durchsetzen wollen, werde es die Zustimmung aller EU-Partner – auch der Osteuropäer – brauchen, heißt es aus Brüssel. Und die habe es eben erst durch die angekündigte Kürzung von Familienbeihilfen und weiteren Sozialleistungen vergrault. Ungarns Sozialminister, Zoltán Balog, hat mit Gegenmaßnahmen gedroht, auch Prag und Bratislava haben Protest gegen die aus ihrer Sicht diskriminierenden Maßnahmen eingelegt.
Dabei sieht es bisher bei der EMA-Bewerbung durchaus gut aus. Bundeskanzler Christian Kern soll mit seinen Vorstößen bei Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf Sympathien gestoßen sein. Die vom ehemaligen österreichischen EU-Botschafter Gregor Woschnagg penibel vorbereite Bewerbung hat gute Chancen, auf eine von der Kommission erstellte Shortlist zu kommen.