Sona MacDonald triumphiert als Lotte Lenya

Tonio Arango, Christian Frank und Sona MacDonald bei der Premiere der Uraufführung des Theaterstücks.
Tonio Arango, Christian Frank und Sona MacDonald bei der Premiere der Uraufführung des Theaterstücks.imago/Future Image
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In „Lenya Story. Ein Liebeslied“ versucht Regisseur Torsten Fischer in den Wiener Kammerspielen vor allem, die Beziehung der Sängerin zum Komponisten Kurt Weill zu zeigen. Tolle Lieder und zwei kongeniale Darsteller.

Es ist fast unmöglich, an die Lieder des Komponisten Kurt Weill und des Dichters Bertolt Brecht zu denken, ohne zugleich auch die Stimme Lotte Lenyas im Ohr zu haben, jener 1898 in Wien geborenen, in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsenen Künstlerin, die ab den Zwanzigerjahren in Berlin Karriere machte, Weill heiratete (nach der Scheidung sogar noch einmal!), mit ihm ins Exil in die USA ging, nach seinem Tod 1950 eine zweite Karriere begann und vor allem seinen Ruhm mehrte, mit neuen Platten von Werken aus alter Zeit. Sie starb Ende 1981.

Wie gesagt, es ist fast unmöglich, zum Beispiel das Lied von der Seeräuberjenny in der „Dreigroschenoper“ zu hören, ohne es sofort mit Lenya zu assoziieren. Deshalb ist es mutig von der Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin Sona MacDonald, diese außergewöhnliche Frau in „Lenya Story“ zu verkörpern, aber sie macht das auch klug, denn am Donnerstag in den Wiener Kammerspielen bei der Uraufführung versuchte sie überhaupt nicht, die Lenya zu imitieren. Und gewinnt damit total.

Im Nahkampf mit James Bond

Sie singt den „Alabama Song“ aus „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ und weniger Bekanntes, sie stimmt die „Moritat von Mackie Messer“ an, den „Bilbao Song“ oder „Surabaya Johnny“, und man denkt zwar noch ein wenig an alte Platten, hört aber doch etwas Neues. MacDonald singt schrill oder mit tiefem Timbre, immer mit ungeheurer Intensität, wenn es sein muss, mit Sentiment und sogar melodramatisch. Eine Überwältigung.

Torsten Fischer (Regie) und Herbert Schäfer (Bühne und Kostüme) haben ein perfekt auf diese Darstellerin abgestimmtes Stück geschrieben, das aus 17 Liedern und Textübergängen besteht. In einer flotten Show wird in ca. zwei Stunden eine große Liebe in modernen Zeiten vorgeführt. Sie reißt mit, sie rührt und reizt auch immer wieder zum Lachen. Sie ist um keine einzige Nummer zu lang.

Die Inszenierung wird zudem in mehrfacher Hinsicht artistisch gestaltet, nicht nur im Gesang. Die Bühne besteht aus einer schrägen Ebene, die erst mit weißem Flaum, nach der Pause mit Ascheflocken bedeckt ist. Eine Combo unter der Leitung von Christian Frank quält sich anfangs hinauf, um dann im Hintergrund beschwingt und taktvoll Musik zu machen. Schon wird die Protagonistin von ihrem Partner, Tonio Arrango, auf die Bühne geschleift. Er zieht die Dame hoch – und von nun an dominiert sie.

Wie steil diese Ebene tatsächlich ist, erkennt man am Schluss: Das Regieteam, das nur mühevoll das Gleichgewicht wahren kann, tappst in die Mitte, wo sich der Star des Abends, noch immer leichtfüßig, verneigt und schließlich unter Tränen Standing Ovations entgegennimmt. MacDonald hat nicht nur gesungen, mit Herzblut gespielt und getanzt, sondern sogar mit einem Killer gekämpft. In einer späten Szene wird ein Auftritt Lenyas im Actionfilm „From Russia with Love“ von 1963 nachgestellt. Arango prügelt sich als Mr. James Bond mit einer KGB-Agentin. Man fürchtet um sein Leben.

Eine Serie von Männern

Arango zeigt sich äußerst wandelbar. Er spielt auch Brecht, einen Impresario und die späteren Männer der Lenya. Er gibt den Szenen mit raffinierten kleinen Gesten und Nebensätzen Pfiff. Sogar dem Tod der Ehemänner gewinnt er in absurder Verfremdung kleine Gags ab. Vor allem lässt er seiner Partnerin Raum. Den braucht eine, die von Penzing und Berlin bis Bilbao oder Alabama kommen will.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2017)

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