Studie: Risiko von Europas Bankensektor heute höher als vor Basel-Regeln

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FILES-SWITZERLAND-BANKING-CREDITSUISSEAPA/AFP/FABRICE COFFRINI
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Die Amerikaner und Briten setzten Basel I den Abbau von stillen Reserven durch und brachten damit eine Gleichbehandlung mit ihren eigenen Banken.

Seit bald 30 Jahren gibt der "Basler Ausschuss" vor, wie Banken reguliert werden sollen. Offiziell ging es um zwei Ziele: Die Banken solider aufzustellen und weltweit gleiche Spielregeln für alle Banken zu schaffen. Beide Ziele wurden nicht erreicht, sagte Thomas Gehrig, Professor am Institut für Finanzwirtschaft an der Universität Wien, im Gespräch mit der APA.

Die Vertreter der USA und Großbritanniens haben in den Basel-Regeln - "Basel I" (1988), Basel II (2006) und Basel III (2008) - durchgesetzt, dass japanische und europäische Banken ihre stillen Reserven auflösen und den damit verbundenen Wettbewerbsvorteil verlieren, resümiert Gehrig. Er hat soeben gemeinsam mit Maria Chiara Iannino in einer wissenschaftlichen Arbeit nachgewiesen, dass das Risiko des Europäischen Bankensektors heute höher ist als vor Beginn der Basel-Regeln.

Europa fürchtete Verdrängung von US-Markt

In den 1980er-Jahren hatten japanische Banken im US-Firmenkundengeschäft Marktanteile von 30 bis 40 Prozent erreicht. Ihr Hauptvorteil waren niedrige Kapitalkosten dank stiller Reserven. Ähnlich war es bei europäischen Banken, die auf dieser Basis in den USA gute Geschäfte machen konnten, erinnert Gehrig. Das angloamerikanische System sah und sieht vor, dass keine stillen Reserven gebildet werden, sondern Kapital transparent ausgewiesen wird. Damit sollen die Interessen der Aktionäre gegenüber dem Management gestärkt werden. Das europäisch-japanische System war viel "opaker", so Gehrig. Aber man habe übersehen, dass die klassischen, auf kaufmännischer Vorsicht aufbauenden Bankensysteme Europas in der völligen Transparenz nicht funktionieren. Auch das Argument, dass die Banken dank harmonisierter Spielregeln nun stärker im Wettbewerb stehen, beeindruckt Gehrig wenig. Denn auch heute gebe es kaum grenzüberschreitende Bankgeschäfte, sagt er.

Warum genau die europäischen und japanischen Vertreter im Basel-Komitee den Änderungen zugestimmt haben, kann auch Gehrig nicht beantworten. Er verweist aber auf eine Untersuchung von John Wagster, wonach immer nach Konzessionen der Japaner die Aktienkurse ihrer Banken einen Sprung nach oben gemacht haben. Es dränge sich der Eindruck auf, dass der japanischen Seite die Zustimmung abgekauft wurde, so Gehrig. Dazu komme, dass europäische Banken wohl befürchteten, vom US-Markt ausgeschlossen zu werden, wenn sie Regeländerungen nicht zustimmen.

USA setzten weder Basel II noch Basel III um

Zugleich erinnert Gehrig daran, dass die USA weder Basel II noch Basel III umgesetzt haben. Auf die Frage nach dem Warum sagt er: "Weil es nichts bringt." Für die USA war das Ziel das "level playing field", also die gleichen Spielregeln für alle durch die Auflösung der stillen Reserven. Nachdem dieses Ziel erreicht war, gab es für die USA keinen materiellen Grund zur Umsetzung. Und: "Die USA lassen sich in ihre Bankenregulierung nicht dreinreden."

Dazu komme, dass die US-Banken im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung des Landes viel kleiner sind als die europäischen. Sie stellen daher bei weitem kein so großes Systemrisiko dar wie eine Deutsche Bank in Deutschland, aber noch mehr irische Banken in Irland oder auch die beiden großen österreichischen Banken in Österreich. "Der Leidensdruck in Europa ist viel größer", wenn eine der systemrelevanten Banken in Schwierigkeiten gerät. Insgesamt ist der Bankensektor in den USA nicht so dominant, auch weil Finanzierungen in Europa viel häufiger über Kredite erfolgen, in den USA hingegen häufiger über Kapitalbeteiligungen.

(APA)

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