Die beiden südosteuropäischen Länder einigen sich auf ein Schiedsabkommen. Es soll den lang schwelenden Grenzdisput beenden. Das Verfahren beginnt erst nach Abschluss der EU-Beitrittsgespräche mit Zagreb.
Slowenien und Kroatien haben einen vorläufigen Schlusspunkt unter ihren seit achtzehn Jahren ungelösten Grenzstreit gesetzt. Unter der Schirmherrschaft des amtierenden EU-Ratspräsidenten und schwedischen Premiers Fredrik Reinfeldt (44) unterzeichneten die beiden Ministerpräsidenten Borut Pahor (46) und Jadranka Kosor (56) am Mittwoch in Stockholm ein bilaterales Abkommen, das ein internationales Schiedsgericht zur Lösung des Konflikts einsetzt.
Klärendes Schiedsgericht
Kernpunkt des Streits ist der von Kroatien vehement bestrittene slowenische Zugang zu internationalen Gewässern in der Oberen Adria. Das Schiedsgericht soll nun den Verlauf der See- und Landgrenze zwischen den beiden früheren jugoslawischen Teilrepubliken festlegen, wobei explizit auch der "Kontakt Sloweniens mit internationalen Gewässern" genannt wird.
Voraussetzung für EU-Beitritt
Das Abkommen gilt als Voraussetzung für den EU-Beitritt Kroatiens, da Slowenien wegen des Grenzstreits die Beitrittsverhandlungen mit dem Nachbarland monatelang blockiert hatte. Der Durchbruch gelang im September, als sich Zagreb die umstrittenen "Präjudizien" im Grenzstreit zurückzog. Ljubljana wirft Zagreb vor, sich umstrittene Grenzgebiete angeeignet zu haben. Das Schiedsgericht soll die Grenze nach dem Status Quo vom 25. Juni 1991, dem Tag der Unabhängigkeitserklärung beider Staaten von Belgrad, festlegen.
"Das ist ein großer Tag für uns alle", sagte Kosor nach der Unterzeichnung des Abkommens. Sie sprach von einer "Win-Win-Win-Situation" für Kroatien, Slowenien und die Europäische Union. Kosor bezeichnete ihr von Vertrauen, Respekt und Freundschaft geprägtes Verhältnis mit Pahor als entscheidend für den Durchbruch. "Ein solches Verhältnis sollten alle Premiers der Welt haben", betonte die seit Juli amtierende Regierungschefin, deren Vorgänger Ivo Sanader als Hardliner im Grenzstreit galt. Pahor sprach von einem "fantastischen Tag". "Weil wir einander glaubten, und mit gegenseitigem Vertrauen und Respekt konnten wir die Hürden überwinden, die den Verhandlern vor uns als zu hoch erschienen."
EU-Vertreter freuen sich
Reinfeldt bezeichnete das Abkommen als "Inspiration" für die Führer anderer Staaten in der südosteuropäischen Region. Slowenien und Kroatien hätten damit eine "neue und vorwärts gerichtete Perspektive" geöffnet, die für beide Länder Vorteile bringe. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn, der heuer monatelang vergeblich zwischen Ljubljana und Zagreb vermittelt hatte, sprach von einem "historischen Moment". Die von den Nachbarländern gewählte Vorgangsweise sei "die europäischste Art und Weise" um Konflikte zu lösen, teilte Rehn in Brüssel mit.
Referendum in Slowenien droht
In Slowenien droht das Grenzabkommen indes an einer Volksabstimmung zu scheitern. Oppositionsführer Janez Jansa hatte bereits am Dienstagabend angekündigt, ein Referendum über das "schlechte Abkommen" erzwingen zu wollen. "Wir alle wissen, wie dieses Referendum ausgehen wird", sagte er mit Blick auf Umfragen, die eine mehrheitliche Ablehnung des Abkommens zeigen. Der Chef der Slowenischen Nationalpartei (SNS), Zmago Jelincic, warf Pahor am Mittwoch "Staatsverrat" vor. "Pahor wird diese historische Schweinerei mit politischer Isolation bezahlen und aus dem slowenischen politischen Raum verschwinden", sagte der SNS-Chef. Staatspräsident Danilo Türk begrüßte dagegen die Unterzeichnung des Abkommens. Auch sein kroatischer Amtskollege Stjepan Mesic sagte, dass "das Abkommen vermutlich gut ist, wenn es von achtzig Prozent der Slowenen und etwa gleich viel Kroaten abgelehnt wird".
Nach Angaben des slowenischen Außenministeriums soll die Ratifizierung des Abkommens noch vor Jahresende abgeschlossen sein. Das Schiedsverfahren beginnt aber erst mit der Unterzeichnung des kroatischen EU-Beitrittsvertrags, die Mitte 2010 erwartet wird. Drei Mitglieder des fünfköpfigen Schiedsgerichts sollen von Ljubljana und Zagreb aus einer von der EU-Kommission erstellten Liste mit Rechtsexperten ausgewählt werden, je ein weiteres Mitglied werden die beiden Parteien selbst nominieren.
Können sich Ljubljana und Zagreb nicht auf die Namen der internationalen Richter einigen, werden diese vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) ernannt. Beide Parteien verpflichten sich in dem Abkommen, den Status quo an der Grenze zu achten. Slowenien sichert in dem Abkommen auch zu, die Beitrittsverhandlungen Kroatiens nicht zu behindern."
(Ag.)