1,8 Milliarden für österreichische Perle

Der Schweizer Elektrotechnik-Konzern verspricht sich vom Kauf des österreichischen Unternehmens B&R große Stücke.
Der Schweizer Elektrotechnik-Konzern verspricht sich vom Kauf des österreichischen Unternehmens B&R große Stücke.(c) REUTERS (Arnd Wiegmann)
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Der Schweizer Konzern ABB übernimmt die oberösterreichische B&R. Der Deal soll helfen, Marktführer Siemens einzuholen.

Wien. „Sie brauchen sich keine Sorgen über kurzfristige Wechsel unserer Unternehmensstrategie oder Philosophie zu machen. Das garantieren wir.“ Dieser Satz ist auf der Homepage des Innviertler Unternehmens Bernecker & Rainer (B&R) zu finden. Aber manchmal kommt eben doch alles anders.

Als gestern Früh der börsenotierte Schweizer Elektrotechnik-Konzern ABB bekannt gab, das auf Industrieautomatisierung spezialisierte Erfolgsunternehmen mit Sitz in Eggelsberg zu kaufen, war die Überraschung allseits groß. Die Geschäftsleitung habe nun alle Hände voll zu tun, Gespräche mit Kunden und Lieferanten weltweit zu führen, hieß es seitens der B&R-Pressestelle am Dienstag. Der Eigentümerwechsel kam für die meisten von ihnen sehr überraschend. Bisher hatte die ABB – laut eigenen Angaben – auch keinerlei direkte geschäftliche Beziehungen mit den Oberösterreichern.

Erfolgreich im Hintergrund

Bei B&R handelt es sich um ein äußerst erfolgreiches Unternehmen, dessen Management stets großen Wert auf Verschwiegenheit und mediale Zurückhaltung legte. Bereits 1979 beschlossen die beiden Freunde Josef Rainer und Erwin Bernecker eine Firma zu gründen, die maßgeschneiderte Automatisierungslösungen anbieten sollte. Gesagt, getan: Heute beschäftigt der Konzern mehr als 3000 Mitarbeiter weltweit, darunter gut zwei Drittel in Österreich. Im Geschäftsjahr 2015/16 machte B&R 561 Mio. Euro Umsatz und einen operativen Gewinn von 70 Mio Euro.

Was die Eigentümer Rainer und Bernecker bewegt hat, sich von von ihrem Lebenswerk zu trennen, dazu wollten die beiden nichts sagen. Jedenfalls haben die heute 65-jährigen schon vor Jahren die Leitung der Geschäftsführung an Hans Wimmer abgegeben und waren nur mehr beratend tätig.

Für den ABB-Konzern bedeutet die Akquisition der B&R die größte Übernahme seit 2012. Auf Wunsch der beiden Unternehmensgründer herrscht Stillschweigen über den Kaufpreis. Dem Vernehmen nach sollen die Schweizer aber um die 1,8 Mrd. Euro für den österreichischen Steuerungshersteller hinblättern. Und ABB weiß genau, wofür es dieses Geld in die Hand nimmt. Mit der „freundlichen Übernahme“ wollen die Schweizer den Abstand zu Siemens, der weltweiten Nummer eins im Bereich der Industrieautomation, deutlich verringern bzw. wettmachen: „Strategisch gesehen, ist das der wichtigste Deal, den ABB je gemacht hat. B&R ist eine wahre Perle in der Welt der Maschinen und Fabrikautomation“, sagte ABB-Boss Ulrich Spiesshofer gestern bei einer spontan eingerufenen Pressekonferenz.

Diese Transaktion sei für ABB ein echter Meilenstein, weil der Konzern damit endlich die historische Lücke in seinem Automationsangebot schließen könne, die seit der Gründung bestanden habe. „Nun bieten wir ein konkurrenzloses Portfolio“, sagte Spiesshofer, der sich bei ABB schon bisher mit diversen Kostensenkungsprogrammen einen Namen gemacht hat.

Und Einsparungspotenzial sieht er auch aufgrund der neuen Akquisition: „Insgesamt erwarten wir Synergien von mehr als acht Prozent des eigenständigen Umsatzes von B&R im vierten Jahr. Und wir verpflichten uns zu einem mittelfristigen Umsatzziel von einer Mrd. Dollar.“ Schon im ersten Jahr werde sich die Transaktion auf den operativen Gewinn der Aktie positiv auswirken, richtete er den Shareholdern aus.

Sitz in Eggelsberg bleibt

Und was bedeutet der Merger nun für die B&R-Mitarbeiter? Nach den Worten von Spiesshofer haben sie nichts zu befürchten. Im Gegenteil: Sein erklärtes Ziel ist Wachstum. Der Hauptsitz in Eggelberg soll zum globalen Zentrum für Maschinen- und Fabrikautomation ausgebaut werden und eine neue, globale Geschäftseinheit des ABB-Konzerns darstellen. Doch bis dahin dauert es noch. Damit der Deal auch tatsächlich über die Bühne gehen kann, müssen die Regulatoren noch zustimmen. Spiesshofer ist sich sicher, dass es auf dieser Front keine Probleme geben wird. Es handelt sich bei den Unternehmen schließlich nicht um Konkurrenten, sondern um komplementäre Anbieter.

AUF EINEN BLICK

Das oberösterreichische Unternehmen Bernecker & Rainer ist auf Industrieautomatisierung fokussiert und beschäftigt weltweit 3000 Mitarbeiter. Das börsenotierte Schweizer Konzern ABB wird nun neuer Eigentümer von B&R. Mit diesem Zukauf wird ABB den Abstand zum Weltmarktführer im Bereich Industrieautomation Siemens verringern. Für B&R soll ABB rund 1,8 Milliarden Euro zahlen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2017)

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