Merkel verteidigt deutsche Maut

Bundeskanzlerin Angela Merkel
Bundeskanzlerin Angela Merkel(c) REUTERS (TONY GENTILE)
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Kanzlerin zeigt kein Verständnis für Österreichs Klage. Vier Nachbarländer wollen künftig gemeinsam gegen die aus ihrer Sicht diskriminierende Straßenabgabe vorgehen.

Berlin/Wien. Die deutsche Regierung erhöht den Druck auf Österreich, die EU-Klage gegen die Einführung der Pkw-Maut im Nachbarland fallen zu lassen. Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte die Straßenabgabe und betonte nach einem Treffen mit ihrem tschechischen und slowakischen Amtskollegen, dass „keine Diskriminierung von ausländischen Autofahrern“ vorliege, wie dies der österreichische Verkehrsminister Jörg Leichtfried behauptet hatte.

Merkel griff indirekt Österreichs Regierung an und behauptete, dass diese ihre eigene Bevölkerung nach Einführung der Maut-Vignette ebenfalls entlastet habe. Während Deutschland die Maut den eigenen Bürgern über die Kfz-Steuer refundieren möchte, habe Österreich nach 1997 das Pendlerpauschale erhöht, behauptete auch Deutschlands Verkehrsminister Alexander Dobrindt, der von einer „nervenden Ösi-Maut-Maulerei“ sprach. Der Unterschied liegt freilich darin, dass derzeit rund 850.000 Autobesitzer in Österreich das Pauschale erhalten, in Deutschland jedoch alle Autobesitzer von der Kfz-Steuersenkung profitieren werden.

Als Österreich einst die Autobahn-Vignette eingeführt hatte, waren die deutschen Nachbarn auch nicht erfreut gewesen. Der damalige bayerische Verkehrsminister Otto Wiesheu (CSU) hatte eine „Wegelagerei“ kritisiert. Der bayrische SPD-Politiker Herbert Müller sprach von einer „skrupellosen Abzockerei“. Österreichs Regierung sagte damals zu, dass deutsche Autofahrer auf dem ersten Abschnitt der Inntalautobahn nicht kontrolliert würden, um den freien Verkehr in Skigebiete zu ermöglichen. Dieses Entgegenkommen wurde aber später aufgehoben.

Treffen der Nachbarstaaten

Leichtfried hatte vergangene Woche eine EU-Klage gegen die deutsche Maut wegen einem Verstoß gegen das Diskriminierungsverbots im EU-Vertrag angekündigt. Bei einem Treffen mit den Amtskollegen aus Belgien, Niederlande und Luxemburg soll am 7. Juni ein gemeinsames Vorgehen beraten werden. Aus allen diesen Ländern war zuletzt Kritik an den deutschen Mautplänen gekommen. Die Kritik hat sich verstärkt, als in Berlin beschlossen wurde, keine Ausnahmen für Grenzregionen zuzulassen. Ein Sprecher des Luxemburger Premiers Xavier Bettel betonte, dass seine Regierung der Ansicht sei, dass die deutsche Maut andere EU-Bürger benachteilige.

In einem vom Innsbrucker Europarechtler Walter Obwexer für das Verkehrsministerium verfassten Gutachten wird diese Diskriminierung mehrfach begründet. Zum einen wird auf die Gleichzeitigkeit von Mauteinführung und Kfz-Senkung verwiesen. Obwexer ist der Ansicht, dass die Mauteinführung für sich allein und auch die Kfz-Senkung für sich allein rechtlich unproblematisch wären. Doch: „Die Koppelung der Infrastrukturabgabe mit einer parallel durchgeführten und inhaltlich vollständig korrespondierenden Senkung der Kfz-Steuer für Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen stellt eine indirekte Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar.“ Obwexer bezweifelt zudem, dass das deutsche Mautgesetzt, wie Dobrindt behauptet, dem Umweltschutz dient. Zwar erhalten Besitzer von umweltfreundlichen Fahrzeugen künftig aus der Kfz-Steuer sogar mehr zurück, als sie für die Maut zahlen müssen. Laut dem Europarechtler würden aber „Vielfahrer, die die Umwelt stärker belasten als Gelegenheitsfahrer“ durch dieses Mautsystem belohnt.

Zum anderen sieht Obwexer einen weiteren Hinweis auf Diskriminierung in der Überwachung und Sanktionierung der Maut. Denn es sollen lediglich ausländische Autofahrer überprüft und gegebenenfalls bestraft werden. Das hängt damit zusammen, dass die Abgabe für Deutsche automatisch über die Einhebung der Kfz-Steuer erfolgt. Will hingegen ein österreichischer Pkw-Besitzer über das Große Deutsche Eck fahren, muss er die Maut entweder im Internet oder bei Verkaufsstellen (z.B. Tankstellen) erwerben. Dabei muss er alle notwendigen Angaben zu seinem Fahrzeug korrekt eingeben. Irrt er sich etwa bei der Kubikzahl, kann er dafür belangt werden.

Das Gutachten kommt zum Schluss, dass eine Vertragsverletzungsklage gegen Deutschland eine „begründete Aussicht auf Erfolg“ habe. (ag./wb)

MAUT-STREIT

Deutschland will ab 2019 eine Maut für alle Pkw einheben. Wobei inländische Autohalter durch die Kfz-Steuer zumindest in gleicher Höhe entlastet werden sollen. Dadurch zahlen die Maut vor allem Pkw-Besitzer aus anderen EU-Staaten. Die bayerische CSU hatte im letzten Wahlkampf die „Maut für Ausländer“ angekündigt und argumentiert, dass bisher nur deutsche Steuerzahler für den Erhalt der Straßen aufgekommen seien, andere diese gratis benutzt hätten.

Diskriminierung. Nach Verkehrsminister Alexander Dobrindt hat nun auch Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Pläne verteidigt. Eine von Österreich kritisierte Diskriminierung von EU-Bürgern sieht sie nicht. [ Reuters ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2017)

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