Leitartikel

Donald Trump handelte ausnahmsweise einmal richtig

Nervengasangriff auf Khan Sheikhoun
Nervengasangriff auf Khan SheikhounREUTERS
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Mit dem Militärschlag auf eine syrische Luftwaffenbasis will die US-Regierung Assad von weiteren Giftgasangriffen abhalten. Das kann gelingen.

Was wäre die Alternative zum US-Vergeltungsschlag auf den syrischen Luftwaffenstützpunkt gewesen? Natürlich hätten die USA eine internationale Untersuchung des Nervengasangriffs auf das Städtchen Khan Sheikhoun abwarten können. Doch diese Übung wäre garantiert im Sand verlaufen. Denn im Sicherheitsrat hat Russland seinem Verbündeten in Damaskus – mit freundlicher Unterstützung Chinas – bisher immer noch verlässlich die Mauer gemacht. Der Tod von mehr als 80 Menschen durch den Einsatz chemischer Waffen, den das syrische Regime übrigens vehement bestreitet, wäre einmal mehr ungesühnt geblieben. Wäre das die bessere Alternative gewesen? Oder hätte tatenloses Zusehen die Verantwortlichen für das Giftgasmassaker nicht vielmehr dazu angespornt, die Dosis beim nächsten Mal noch zu erhöhen?

Donald Trump hat ausnahmsweise richtig gehandelt. Alle Indizien deuten darauf hin, dass Syriens Regime hinter der Giftgasattacke auf das Rebellengebiet der Aufständischen in der Provinz Idlib steckt. Die russische Erklärungshilfe, wonach syrische Kampfflugzeuge zufällig ein Nervengasdepot der Aufständischen getroffen hätten, nimmt sich doch etwas hanebüchen aus. Augenscheinlich ist es Bashar al-Assads Getreuen gelungen, Sarinbestände vor dem Zugriff internationaler Inspektoren zu verstecken. Vielleicht war die Arbeit der Organisation für das Verbot chemischer Waffen am Ende leider nicht ganz friedensnobelpreiswürdig.

Im Spätsommer 2013 war Trumps Vorgänger, Barack Obama, im letzten Moment vor einem Militärschlag zurückgeschreckt, obwohl das syrische Regime die berühmte rote Linie durch einen Giftgasangriff auf einen Vorort von Damaskus überschritten hatte. Im Gegenzug drängten die Russen Assad, seine Chemiewaffen auszuhändigen – offensichtlich nicht alle.

Die politisch-militärischen Folgen des Deals waren fatal für die Amerikaner. Sie galten nach ihrer leeren Drohung fortan als geschwächt in der Region. Ein Jahr später füllten die Russen das Vakuum mit einem Militäreinsatz in Syrien und kippten das Gleichgewicht zugunsten Assads. Die USA waren abgemeldet. Trump hat sie nun wieder ins Spiel gebracht. Das ist paradox. Denn ursprünglich wollte der 45. US-Präsident nach seinem Motto „America First“ möglichst die Finger lassen von militärischen Interventionen.

Trump präsentiert sich gern als Antithese zu Obama, also musste er fast zwangsläufig handeln, nachdem Assad nun neuerlich die rote Giftgaslinie überquert hatte. Dabei agierte er völlig anders als sein abwägender Vorgänger: Den Befehl zum Einsatz der Marschflugkörper gab er noch rasch, bevor er den chinesischen Präsidenten zum Dinner traf. Zweitens unterstrich Trump, dass die USA wie weiland unter Bush junior wieder zu Alleingängen bereit sind und sich von – berechtigten – völkerrechtlichen Einwänden nicht bremsen lassen. Drittens sendete er ein Signal an die Welt, auch an Chinas missratene Schützlinge in Nordkorea: Die neue US-Regierung meint es ernst mit ihren Drohungen. Gelegen kommt Trump die Militäraktion auch innenpolitisch. Sie lenkt ab vom Chaos der ersten 77 Tage seiner Amtszeit.

Dennoch will Trump sich weiterhin nicht allzu tief in Syrien verstricken. Er erklärte deutlich, dass es sich bei dem Militärschlag um eine begrenzte Aktion handle. Der Kriegsverlauf in Syrien wird dadurch kaum verändert. Bedeutsam ist der Angriff lediglich auf symbolischer Ebene.

Russland, das die Amerikaner kurzfristig vorinformiert hat, hält sich – von pflichtschuldiger Schelte abgesehen – verhältnismäßig zurück. Das kann immer noch außer Kontrolle geraten. Doch die Hoffnung der Amerikaner ist, dass Moskau schon bald zur Tagesordnung übergeht und den gemeinsamen Kampf gegen den Islamischen Staat fortsetzt. Es wäre wenig überraschend, wenn Trump nach der Eroberung der IS-Hauptstadt Raqqa auf eine amerikanisch-russische Lösung für Syrien hinarbeitete – mit festgelegten Einflusszonen für Russland, die Türkei, die syrische Opposition und auch Assads Regime.

Doch die Eskalationsfalle ist aufgestellt. Wie reagiert Trump nach dem nächsten Giftgasangriff?

E-Mails an:christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2017)

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