Eine "fürchterliche Terrorattacke"

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SWEDEN-TRUCK-CRASH(c) APA/AFP/JONATHAN NACKSTRAND (JONATHAN NACKSTRAND)
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Ein Lkw raste im Zentrum Stockholms in eine Menschenmenge. Premier Löfven sprach von einem Angriff auf Schweden. Am Abend nahm die Polizei einen Mann fest. Nach dem Fahrer wurde weiter gesucht.

Der Schock ist gewaltig im frühlingshaft warmen Stockholm. Am Freitagnachmittag, kurz vor 15.00 Uhr, fuhr ein Lastwagen über die Fußgänger-Einkaufstraße Drottninggatan und krachte in das Kaufhaus „Åhléns City“. Dabei wurden laut vorläufigen Informationen der Polizei vier Menschen getötet, 15 Menschen wurden teilweise schwer verletzt, darunter auch zwei Kinder. „Es war überall Blut. Ich sah zwei zerfetzte Körper und versuchte einem Dritten zu helfen, das ging aber nicht. Ich beugte mich über ihn und schloss seine Augen“, erzählt Augenzeuge Martin Svenningsen. Es war eine Szene, die an die Lkw-Anschläge im französischen Nizza im Juli 2016 und in der deutschen Hauptstadt Berlin im Dezember erinnerte.

Die Presse/GK

Wenige Stunden nach der Attacke nahm die Polizei am Abend im Norden von Stockholm in der Vorstadt Märsta einen Mann fest – fahndete aber weiter nach dem Fahrer des Lastwagens. Bei dem festgenommenen Mann handelt sich um den Mann auf dem Bild, das die Polizei zuvor veröffentlicht hatte: einen jungen Mann in grüner Jacke, weißen Schuhen und Kapuzenpulli, der sich zum Zeitpunkt der Tat in der Nähe des Anschlags aufgehalten haben soll. Die Polizei ist allerdings vorsichtig mit konkreten Formulierungen; über den Festgenommenen gab sie keine weiteren Details heraus, bloß, dass er sich in einem Geschäft in Märsta ungewöhnlich - schlussendlich auffällig - verhalten habe.

Arbeitshypothese Terrortat

Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts auf eine Terrortat. „Schweden ist angegriffen worden“, sagte auch Ministerpräsident Stefan Löfven von der Sozialdemokratischen Partei kurz nach dem Anschlag. Er rief seine Landsleute auf, Ruhe zu bewahren. Er sprach von einer „fürchterlichen Terrorattacke“. „Ihr könnt nicht über unser Leben bestimmen. Ihr werdet niemals gewinnen“, sagte er an die Terroristen gerichtet. Die Regierung hat unterdessen die Grenzkontrollen verstärkt. Zehn Tage lang sollen alle Ausreisenden an den Grenzen kontrolliert werden, nach dem Ablauf dieser Frist könnte die Maßnahme auf weitere 20 Tage ausgeweitet werden.

In den Cafés und Bibliotheken rund um das Stadtzentrum warteten die Menschen am Nachmittag darauf, nach Hause fahren zu können. „Das ist so unglaublich, so schrecklich. Ich habe Angst“, sagte der 26-jährige Student Marten, der mit zahlreichen anderen Menschen in der Königlichen Bibliothek am Östermalmstorg unweit des Anschlages ausharrte. Erst Stunden nach der Attacke konnten manche Bewohner über die zahlreichen Brücken der Inselstadt nach Hause laufen. Der gesamte Hauptbahnhof wurde geräumt, Theater und Kinos wurden geschlossen.

Lkw von Brauerei gestohlen

Zahlreiche Staatschefs drückten den Schweden ihr Mitgefühl aus. Bundespräsident Alexander Van der Bellen nannte den mutmaßlichen Anschlag eine „entsetzliche, verabscheuungswürdige Tat“. Auch der russische Präsident Putin übermittelte dem schwedischen König Carl Gustaf ein Schreiben mit den Worten: „In unserem Land kennen wir die Grausamkeiten des internationalen Terrorismus nicht nur vom Hörensagen.“

Am Nachmittag wurde zudem von drei Schießereien berichtet: von einer direkt beim Kaufhaus, einer am nahen Platz Hötorget und einer dritten nahe des weiter entfernten Konzertsaales Globen. Die Polizei bestätigte solche Berichte aber nicht.

Die schwedische Brauerei Spendrups, der der Lastwagen gehörte, gab Medienberichten zufolge an, dass der Lkw am Freitagnachmittag bei einer Warenlieferung in der Innenstadt gestohlen worden war. „Während der Getränkelieferung an ein Restaurant sprang jemand in die Fahrerkabine und fuhr mit dem Lkw davon“, erklärte ein Sprecher.

Der Terroranschlag trifft das besonnene Schweden schwer. Zu Krawallen oder Attentaten war es in den vergangenen Jahren kaum gekommen, auch nicht zu einer erhöhten Kriminalitätsrate. Der letzte Anschlag in Stockholm liegt rund sieben Jahre zurück.

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