Die UN-Botschafterin der Vereinigten Staaten kündigte an, der Sturz Assads sei nunmehr Ziel Washingtons - und stiftet damit noch mehr Verwirrung rund um die Kehrtwende Trumps in Syrien.
Washington. Nach dem US-Angriff auf den Militärstützpunkt Shayrat in Syrien sorgt Washington mit immer neuen Ankündigungen hinsichtlich der Position der USA für Verwirrung. So gehört die Ablösung des syrischen Staatschefs, Bashar al-Assad, nach Aussage von UN-Botschafterin Nikki Haley jetzt zu den Prioritäten der US-Politik in Syrien – obwohl die Regierung noch vor Kurzem erklärt hat, Assads Entmachtung zu fordern, sei „albern“. „Wir sehen keinen friedlichen Wechsel mit Assad“, sagte sie nun gegenüber CNN. Beobachter sind nicht sicher, dass Donald Trump wirklich einen Plan für die Zukunft Syriens hat. Wie geht es also weiter?
Sollte US-Präsident Donald Trump geglaubt haben, dass sein Raketenangriff auf den syrischen Luftwaffenstützpunkt Shayrat das Grauen des Bürgerkriegs lindern würde, dann hat er sich getäuscht. Am Tag nach der Attacke der US-Marschflugkörper starteten in Shayrat schon wieder die ersten syrischen Kampfflugzeuge. Die Stadt Khan Sheikhoun, wo vergangene Woche mehrere Dutzend Menschen durch Giftgas aus Flugzeugen getötet wurden, erlebte neue Luftangriffe.
Auch wenn Haley keine Details nannte, ist die Positionsveränderung mit Blick auf Assad von hoher Bedeutung. Mit ihr nähert sich Washington den syrischen Rebellen und regionalen Partnern wie den Golfstaaten und der Türkei an. Dagegen wächst die politische Distanz zwischen den USA und Russland – wenn Haley tatsächlich die offizielle Politik der USA verkündet hat. Denn: US-Außenminister Rex Tillerson, der in wenigen Tagen in Moskau erwartet wird, äußerte sich zurückhaltender. Oberste Priorität habe der Kampf gegen den Islamischen Staat (IS), erklärte er in einem CBS-Interview. Wenn die Bedrohung durch die IS-Milizen eingedämmt sei, könne man sich der Stabilisierung Syriens widmen.
„Fürchterliche“ Bilder
In den USA werden anders als in den ersten Stunden nach dem Angriff der Tomahawk-Marschflugkörper, als die amerikanische Öffentlichkeit und die meisten Politiker dem Präsidenten den Rücken stärkten, inzwischen kritische Töne lauter. Die „Washington Post“ meldete, Trump habe seine Entscheidung getroffen, nachdem er im Fernsehen die schrecklichen Bilder von Kindern gesehen habe, die durch das Giftgas in Khan Scheikhoun getötet worden waren. Der Präsident habe engen Beratern gegenüber betont, wie „fürchterlich“ die Bilder gewesen seien. Trump sei nicht nur ein Präsident, sondern eben auch „ein Vater und ein Großvater“, sagte Beraterin Kellyanne Conway dem Blatt zufolge.
Doch reichen die Gefühle eines Großvaters, der bei den Bildern aus Syrien an die eigenen Enkel denkt, als Basis für eine Militäraktion aus, die in einen Krieg am anderen Ende der Welt eingreift, die Beziehungen zu Russland in eine Krise stürzt und die eigene bisherige Position gegenüber dem Syrien-Konflikt über den Haufen wirft? Kritiker meinen: Nein. Der Angriff in Shayrat habe lediglich die Heuchelei der Nahost-Politik unter Trump offengelegt, erklärte der oppositionelle Senator Chris Murphy. Über Jahre haben die USA alles getan, um sich aus dem Syrien-Krieg, so gut es ging, herauszuhalten. Trump, der selbst lang gegen eine Syrien-Intervention war, hat diese Position mit seiner emotional begründeten Aktion aufgegeben.
„Flexibel“ im Handeln
Seit dem Einsatzbefehl für die Tomahawks haben weder seine Berater noch Trump den Amerikanern erläutert, von welchen Prinzipien die neue Syrien-Politik der Supermacht geleitet werden soll. Bezüglich Nordkorea setzt Washington auf Abschreckung: Die Armee schickte eine Flugzeugträgergruppe in Richtung der koreanischen Halbinsel. Eine Vorsichtsmaßnahme, erklärte ein Sprecher. Manche Beobachter rechnen damit, dass die impulsive Aktion in Shayrat erst der Anfang einer neuen Phase der Unsicherheit gewesen sein könnte. Eine „Trump-Doktrin“ im herkömmlichen Sinne ist zwar nicht in Sicht; erst vor wenigen Tagen sagte der Präsident von sich selbst, er sei „flexibel“, was sein Handeln angehe. Sicher ist, dass die Unberechenbarkeit für alle Kriegsparteien gestiegen ist.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2017)