Drei Monate Ausnahmezustand für Ägypten

In der koptischen Kathedrale von Tanta sprengte sich ein Selbstmordattentäter in die Luft.
In der koptischen Kathedrale von Tanta sprengte sich ein Selbstmordattentäter in die Luft.REUTERS
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Nach den Anschlägen auf Christen will Staatschef al-Sisi den Sicherheitsbehörden erweiterte Befugnisse einräumen. Der Papst will an seinem Ägypten-Besuch festhalten.

Nach den Selbstmordanschlägen auf zwei koptische Kirchen in Ägypten greift die Regierung zur umstrittenen Maßnahme des Ausnahmezustands. Staatschef Abdel Fattah al-Sisi kündige am Sonntagabend einen dreimonatigen Ausnahmezustand mit erweiterten Befugnissen für die Sicherheitsbehörden an, der noch vom Parlament abgesegnet werden muss.

Die Aufhebung eines jahrzehntelangen Ausnahmezustands in Ägypten war ein Hauptanliegen bei der Revolte im Zuge des Arabischen Frühlings 2011 gewesen. Der Ausnahmezustand solle drei Monate dauern, sagte al-Sisi in Kairo. Nach der ägyptischen Verfassung muss das Parlament dem Ausnahmezustand binnen einer Woche zustimmen. Da das Parlament von al-Sisis Gefolgsleuten dominiert wird, dürfte dies nur eine Formsache sein.

"Die Streitkräfte und die Polizei werden alles Notwendige unternehmen, um den Bedrohungen entgegenzutreten, die vom Terrorismus und dessen Finanzierung ausgehen", erklärte die Regierung. Es gehe darum, die Sicherheit im Land zu gewährleisten, öffentliches und privates Eigentum sowie das Leben der Bürger zu schützen.

Der Präsident reagierte damit auf die Anschläge auf die christliche Minderheit der Kopten am Palmsonntag. Eine Woche vor Ostern hatten Attentäter zwei koptische Kirchen in Ägypten angegriffen und mindestens 45 Menschen getötet. Vor der St. Markus-Kathedrale in Alexandria sprengte sich ein Selbstmordattentäter in die Luft und tötete 17 Menschen. Kopten-Papst Tawadros II., der dort die Messe gelesen hatte, hatte das Gotteshaus zu dem Zeitpunkt schon verlassen, wie ein Kirchensprecher sagte.

Wenige Stunden zuvor hatte ein Selbstmordattentäter in der Mar-Girgis-Kirche in Tanta mindestens 28 Menschen getötet. Es handelte sich um die blutigsten Anschläge auf die Kopten in Ägypten seit langem, insgesamt wurden rund 120 Menschen verletzt. Die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte die Taten für sich. Zugleich drohte die IS-Miliz mit weiteren Anschlägen.

Landesweiter Einsatz von Armeeeinheiten

Al-Sisi sagte in einer Rede, der Kampf gegen die Jihadisten werde "lang und schmerzhaft" sein. Der geplante Ausnahmezustand weitet die Befugnisse der Polizei bei Festnahmen und Überwachungen deutlich aus. Der Staatschef gab am Sonntag zudem bekannt, er habe zum Schutz wichtiger Infrastruktureinrichtungen den sofortigen landesweiten Einsatz von Armeeeinheiten angeordnet, die die Polizei unterstützen sollten.

Der Abgeordnete Jehia Kedwani, Mitglied der Verteidigungs- und Sicherheitskommission, erklärte zum Ausnahmezustand, "die Situation erfordere ihn, um die vollkommene Sicherheit wiederherzustellen". Die Polizei könne dann Verdächtige bis zu 45 Tage inhaftieren, auch wenn die Beweise für eine Anklage nicht ausreichten.

Kritiker warnen allerdings, dass die Sicherheitskräfte den Ausnahmezustand missbrauchen könnten. "Unter al-Sisi haben wir erlebt, dass Festnahmen und Urteile auch diejenigen treffen, die nichts mit terroristischen Taten zu tun haben", sagte der Politologe Mustafa Kamel al-Saijid von der Universität in Kairo.

Unter dem langjährigen ägyptischen Staatschef Hosni Mubarak hatte der Ausnahmezustand drei Jahrzehnte lang gegolten. Seine Aufhebung hatte zu den Hauptforderungen der Demonstranten gezählt, die Mubarak schließlich 2011 zu Fall brachten. Al-Sisi hatte den Ausnahmezustand schon einmal für einen Monat ausgerufen, nachdem er den islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi 2013 gestürzt hatte. Für den Norden der Sinai-Halbinsel, einer Hochburg des IS, gilt der Ausnahmezustand bereits seit Jahren.

Papst will trotzdem Ägypten besuchen

Am 28. und 29. April will Papst Franziskus Ägypten besuchen. Der Vatikan bekräftigte, dass die Anschläge ihn nicht davon abhielten. Die Gewalttaten würden "die Friedensmission des Papstes nicht verhindern", sagte die Nummer drei im Vatikan, Angelo Becciu, der italienischen Zeitung "Corriere della Sera".

Kardinal Christoph Schönborn und der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker reagierten mit Betroffenheit. "Jeder, der menschlich empfindet, kann nur zutiefst verabscheuen, wenn unschuldige Menschen während des Gebets und innerhalb heiliger Handlungen zum Ziel eines Anschlags werden", sagte Schönborn am Montag der Kathpress.

Bereits am Sonntag habe er dem für die Kopten in Österreich zuständigen Bischof Anba Gabriel sein Mitgefühl und seine Solidarität bekundet, so der Wiener Erzbischof. Gleichzeitig rief er die Gläubigen auf, in der Karwoche bewusst für die Opfer und deren Angehörige, aber auch für die koptischen Christen, die Menschen in Ägypten und für Papst Franziskus zu beten, der Ende April das Land besuchen wird.

(APA/AFP/Reuters)

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