Laute EU-Kritik an Ungarn

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Justizkommissarin Jourová kritisiert neues Hochschulgesetz, EVP droht Budapest mit Rechtsstaatlichkeitsverfahren.

Brüssel/Wien. Nachdem am Wochenende erneut Zehntausende Menschen in Ungarn gegen die drohende Schließung der Central European University (CEU) demonstriert hatten, schaltete sich Věra Jourová in die Debatte ein: „Es gibt Versuche, die Macht und den Einfluss der Zivigesellschaft zu reduzieren“, sagte die EU-Justizkommissarin am gestrigen Montag. Die Brüsseler Behörde wird am morgigen Mittwoch über die Causa Ungarn beraten. Ungarns Präsident Janos Ader hat das umstrittene Gesetz am Montagabend unterzeichnet.

Das neue, von der Regierungspartei Fidesz forcierte Hochschulgesetz zielt darauf ab, die vom ungarischstämmigen US-Milliardär George Soros gegründete Hochschule außer Landes zu treiben – um in Ungarn aktiv zu sein, muss eine ausländische Universität demnach auch in ihrem Ursprungsland einen akademischen Standort haben. Die – nomen est omen – Central European University betreibt in den USA keinen Campus. Da das neue Gesetz derart offensichtlich gegen Soros' Engagement in Ungarn gerichtet sei, fehle ihm die grundlegende legalistische Eigenschaft, nämlich die Allgemeingültigkeit, so Jourová.

Auch in der Europäischen Volkspartei (EVP), der europapolitischen Heimat der ungarischen Regierungspartei, will die Aufregung um das Vorgehen von Premierminister Viktor Orbán gegen liberale Kritiker im In- und Ausland nicht verebben – im Gegenteil: Ein Sprecher der christlichsozialen Parteienfamilie drohte Budapest mit der Einleitung des Rechtsstaatlichkeitsverfahrens gemäß Artikel 7 der EU-Verträge, sollte Ungarn weiter von der Demokratie abrücken, berichtete das Nachrichtenportal Euractiv. Bis dato wurde das Artikel-7-Verfahren nur ein einziges Mal initiiert: Anfang 2016 gegen Polen wegen der De-facto-Ausschaltung des Verfassungstribunals. An einen Rausschmiss der Fidesz aus der EVP denkt man in der Volkspartei – vorerst – nicht.

Achse Budapest–Warschau

Dass ein Rechtsstaatlichkeitsverfahren geringe Aussichten auf Erfolg haben dürfte, liegt nicht zuletzt daran, dass Polen und Ungarn etwaige Sanktionsbeschlüsse blockieren können – sowohl Orbán als auch der Vorsitzende der polnischen Regierungspartei PiS, Jarosław Kaczyński, gelten als Verfechter einer nationalkonservativen „illiberalen“ Demokratie. Im Konflikt um die Demontage des Höchstgerichts argumentierte die polnische Regierungschefin, Beata Szydło, damit, dass es der Demokratie in Polen „gut geht“, weshalb die Vorwürfe der EU fehlgeleitet seien. Diese Argumentationslinie will Justizkommissarin Jourová nicht gelten lassen: Freie Wahlen seien kein Schutz gegen autoritäre Regimes, deshalb sei die Unabhängigkeit der Justiz so wichtig. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2017)

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