Ein Strohfeuer namens Steuerreform

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Die Belastung der Löhne durch Steuern und Abgaben nahm durch die Reform im Vorjahr deutlich ab. Seit 2000 ging sie aber nicht zurück. Andere Industriestaaten waren weit ehrgeiziger.

Wien. Schlechte Zeugnisse, die sich Jahr für Jahr wiederholen, haben einen Nachteil: Die Schüler gewöhnen sich daran. Ähnlich ergeht es jenem jährlichen Bericht der OECD, der hierzulande regelmäßig ein ebenso lautes wie folgenloses Wehklagen auslöst: „Taxing Wages“ über die Belastung der Arbeitslöhne mit Steuern und Sozialabgaben. Im Vergleich zu den anderen Industriestaaten ist sie in Österreich besonders hoch. Nur Belgien verhinderte zuletzt den ungewollten Platz an der Spitze.

Doch siehe da: Im vergangenen Jahr rückte die Republik dann doch um einiges nach unten, auf Rang sechs. Denn in keinem anderen Land reduzierte der Staat seine Belastungen auch nur annähernd so stark: um fast zweineinhalb Prozenpunkte auf 47,1 Prozent der Bruttolöhne (Basis ist der kinderlose Single; die Beiträge der Arbeitgeber zur Sozialversicherung sind eingerechnet). Der OECD-Schnitt blieb unverändert – bei 36 Prozent. Was auch nicht weiter verwunderlich ist, weil es anderswo keine nennenswerten Steuerreformen gab – außer in Belgien, wo der Effekt nur halb so groß war.

Weiter im „Spitzenfeld“

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Allzu laut sollte der Jubel freilich nicht ausfallen. Nicht nur, weil die Belastung immer noch sehr hoch ist. Sondern vor allem, weil die Momentaufnahme wenig über den langfristigen Trend aussagt. Steuerreformen lässt die Politik nicht alle Jahre zu, erst recht nicht die „größte aller Zeiten“. Ihr zum Trotz ist der „Steuerkeil“ auf die Arbeitsentlohnung seit dem Jahr 2000, als der Pariser Thank mit seinen Analysen begann, nur um mickrige 0,2 Punkte gesunken, also de facto gleichgeblieben.

Mit der Reform wurden nur Steigerungen der Vorjahre ausgeglichen. Sie fanden sich selten explizit in Gesetzen, sondern kamen meist schleichend durch die kalte Progression – die früher oder später (vermutlich ab 2019) erneut an den Nettolöhnen nagen wird.

Nun kann man trefflich darüber streiten, ob nicht gute staatliche Leistungen für alle ihren (hohen) Preis haben. Und: ob Beiträge zur Sozialversicherung überhaupt „Belastungen“ sind oder vielmehr künftige Versicherungsleistungen. Aber fest steht, dass Ökonomen, Steuerexperten und auch viele Politiker in der schweren Bürde für die Löhne schon seit Jahrzehnten einen starken Hemmschuh für den Arbeitsmarkt und die wirtschaftliche Entwicklung sehen – während der Steuerkeil trotz aller Mahnungen langfristig gleich blieb. Andere OECD-Staaten hingegen setzten seit der Jahrtausendwende beherzte Schritte: In Deutschland ging der Keil um 3,4 Punkte zurück, in den skandinavischen Ländern zum Teil noch viel stärker (ein Hinweis zur Grafik: Sie zeigt nicht alle 35 OECD-Mitglieder. Weggelassen wurden für den Vergleich wenig relevante Länder wie Island oder Chile, aber auch die Schweiz – sie hat ein ganz anderes System bei der Sozialversicherung, weshalb die OECD-Zahlen hier nicht aussagkräftig sind).

Große Vorteile für Familien

Wie gesagt: Basis im Vergleich ist der kinderlose Single. Deutlich niedriger erweist sich die Belastung für Familien mit Kindern. Die OECD-Autoren ziehen dauerhafte Vergünstigungen ab: Freibeträge, Absetzbeträge und Beihilfen (nicht aber das Kinderbetreuungsgeld). Mit ihren Daten lassen sich also auch fiskalische Vorteile für Familien vergleichen. Bei einem heimischen Paar mit einem Alleinverdiener und zwei Kindern fiel die Belastung im Vorjahr um knapp 14 Punkte niedriger aus, das ergibt Platz zwölf im Ranking. Doppelverdiener zahlten immer noch um fast zehn Prozenpunkte weniger Steuern und Abgaben, was sogar die dritthöchste Differenz zum Single in allen Industriestaaten war.

Sehr fraglich bleibt aber, ob diese hohen Vergünstigungen auch wirklich zum Kinderkriegen animieren. Zumindest isoliert nicht, sagen die meisten Experten, und setzen stärker auf den Ausbau von Kindergärten und Krippen. Dass ihr Befund zutrifft, darauf deuten die OECD-Zahlen hin: Traditionell hohe Cash-Vorteile gibt es auch in Ländern mit sehr niedrigen Geburtenraten wie Tschechien und Slowenien. Umgekehrt sind in kinderreichen Staaten wie Frankreich oder den nordischen Ländern die rein finanziellen Vorteile für Familien gar nicht so hoch. Dafür ist dort aber das Angebot an Betreuungseinrichtungen für Kinder sehr gut ausgebaut – deutlich besser als in Österreich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2017)

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